Archiv der Kategorie: Projekte

MICHAEL SCHIRNER, MICH GIBT ES GAR NICHT

Muthesius Kunsthochschule Kiel, 2012

Michael Schirner, BYE BYE, DÜS08

Michael Schirner, BYE BYE, DÜS08, Fine Art Print, 2002 – 2009

BOY BOY

Guten Abend meine Damen und Herren, ich bin BOY BOY, und das ist die chinesische Künstlerin Kexin Zang, die mir bei der Präsentation hilft. Wir möchten Ihnen danken, dass Sie zu unserer Lecture Performance gekommen sind. Der Titel Michael Schirner: Mich gibt es gar nicht geht zurück auf Schirners Kommentar zu seinen Bildern der Serie BYE BYE, wo er die Gründe für seine Zurückhaltung erläutert. Ich zitiere aus der Homepage der Ausstellung BYE BYE: „Wie es Schirner schafft, dass wir das, was wir auf dem Bild an der Wand nicht sehen, überdeutlich als Bild in unserem Kopf wahrnehmen, verrät er uns: „Meine Kunst ist nicht mein Werk, sondern ganz allein Ihrs. Sie sind der Schöpfer Ihrer Bilder in ihrem Kopf. Mich gibt es gar nicht.“ Das heißt, so wie das Abgebildete in der Imagination des Betrachters verschwindet, ergeht es dem Autor. Das meint Schirner mit der Selbstabschaffung des Künstlers als Autor und Experten seiner Kunst: Er tritt ganz hinter seinem Werk zurück. Die Arbeit, die Kunst macht, müssen wir, die Betrachter des Werkes, tun.“ Es geht also um den Tod des Autors und die Rolle des Betrachters als Schöpfer des Werkes. Das soll Thema dieser Lecture Performance sein. Ich werde Passagen aus Büchern, Katalogen, Zeitschriften, Internet-Beiträgen etc. vorlesen. Und es werden Bilder von Werken gezeigt, wenn die Technik es zulässt. Kexin Zang und ich werden alles tun, damit Sie die Abwesenheit Michael Schirners verschmerzen.

Michael Schirner, Werbung ist Kunst, Klinkhardt & Biermann, München 1988

Michael Schirner, Werbung ist Kunst, Klinkhardt & Biermann, München 1988

Das Umschlagbild von Werbung ist Kunst zeigt Schirner, in Öl gemalt von Albert Oehlen, der damals Atelier und Wohnung – zusammen mit Diedrich Diederichsen – in den Räumen von Schirners Werbe- und Projektagentur in Düsseldorf hatte. Diederich war Texter und Konzeptioner der Agentur.  In Werbung ist Kunst schreibt Schirner: „Ich überlegte mir: Wünsch‘ Dir zum Geburtstag eine Beerdigung, leg‘ Deinen Geburtstag mit Deinem Todestag zusammen und lass Dich lebendig zu Grabe tragen. Ich erzählte Freunden und Mitarbeitern in New York, was ich mir für den 16. 5. 1978 wünschte: Morgens wollte ich von zwei Bestattungsmännern sanft aus meinem Bett in einen nicht zu pompösen Sarg gehoben werden, wollte die Feuertreppe des Hauses in der Thompson Street runtergetragen und in den schwarzen Chevrolet geschoben werden, wollte mit geschlossenen Augen reglos daliegen, die Blicke von Heike und Virginia, Bettina und Wolf, Birgit und Hans, Pat und Hans-Peter auf mich gerichtet wissen, bis die schwarze Hecktür hinter mir geschlossen würde. Ich wollte von der Thompson Street in die Bleeker Street gefahren werden, vorbei am Village Gate, wo ich letztes Jahr den traurigen Allen Ginsberg mit seinem Glöckchen gesehen hatte, vorbei am Health Food Shop, wo wir am Abend vorher einen Aluminiumfolienheliumballon gekauft hatten, in dem sich Heikes Apartment spiegelt, vorbei an dem Laden, wo ich vor ein paar Tagen die Candy Pants gekauft hatte, die roten essbaren Unterhosen mit Kirschgeschmack, vorbei am Café Figaro, die 6th Avenue hoch, gefolgt von drei Taxis mit Trauergästen. Längst vergessene Zeilen würden mir einfallen während der Fahrt: „…und mit gewandter Schnelle eilt es durch Anger, Feld und Busch zur Kirche, zur Kapelle…“, wo ich ausgeladen werde, aufgebahrt runtergelassen ins Grab, im selben Moment wieder auferstehe von den Toten und mich freue, meinen Tod erlebt zu haben …“

Die Todesanzeige auf der Titelseite der New York Times vom 17.5.1978 „ R.I.P., MICHAEL SCHIRNER. GGK will never forget. Don’t worry, we cancelled your reservation at Windows on the World“ erschien nicht. Die Times traute sich und uns nicht. Das Essen auf dem World Trade Center im „Windows on the World“ fand nicht statt. Es gab dort keinen Tisch mehr, der so groß gewesen wäre, dass alle Hinterbliebenen Platz daran gehabt hätten. Sie trafen sich in einem kleinen französischen Restaurant und verlasen Beileidskarten – eine mit goldenem Sonnuntergang, Pusteblume und den Worten:

He is just away.
You cannot say, you must not say
That he is dead. He is just away …
In the love of There as the love of Here,
Think of him still as the same, and say
He is not dead, he is just away.
Von James Whitcomb Riley“ (2)

Anzeige für die Landeshauptstadt Düsseldorf, 1986

Anzeige für die Landeshauptstadt Düsseldorf, 1986

Ich komme zu den Ölbildern mit Signaturen berühmter Maler und lese einen Absatz aus dem Schlusskapitel aus Schirners Buch: „Ich habe, um das Problem der Autorenschaft in den Mittelpunkt zu stellen und um die Herkunft guter Ideen aus der Werbung zu belegen, eine Idee aus unserer Düsseldorf-Kampagne aufgegriffen und zwar die Anzeige mit den Signaturen berühmter Maler.“

Michael Schirner, Kisuaheli neumix, ohne Titel (Vincent)

Michael Schirner, Kisuaheli neumix, ohne Titel (Vincent), 1988, Öl auf Leinwand

„Diese Signaturen habe ich, immens vergrößert und mit dem Originalhintergrund in Öl gemalt, dort ausgestellt, wo ich vor Jahren die Ausstellung „Werbung als Kunst“ gemacht hatte.

Michael Schirner, Kisuaheli neumix, ohne Titel (Max Ernst)

Michael Schirner, Kisuaheli neumix, ohne Titel (Max Ernst), 1988, Öl auf Leinwand

Die Gemälde zeigen, dass aus Kunst Werbung wurde, aus der schließlich Kunst wird, wobei wir am Ende dieser Geschichte wieder bei ihrem Anfang angelangt wären.

Michael Schirner, Kisuaheli neumix, ohne Titel (Ensor)

Michael Schirner, Kisuaheli neumix, ohne Titel (Ensor), 1988, Öl auf Leinwand

So habe ich eine Situation geschaffen, in der wir es mit einer Gesamtheit aller kreativen Betätigungen und Berufe zu tun haben, die alle auf ihre Vollendung in der Selbstabschaffung des Experten und Fachmanns hinauslaufen.

Michael Schirner, Kisuaheli neumix, ohne Titel (Mondrian)

Michael Schirner, Kisuaheli neumix, ohne Titel (Mondrian), 1988, Öl auf Leinwand

Unter diese Selbstabschaffung habe ich, da ich eben auch nur ein einzelner, sterblicher Mensch bin, meinen Namen als Signatur gesetzt …

Michael Schirner, Kisuaheli neumix, ohne Titel (Jorn)

Michael Schirner, Kisuaheli neumix, ohne Titel (Jorn), 1988, Öl auf Leinwand

… für das Ganze also Autorenschaft beanspruchend, das in seinen Teilen die Autorenschaft ad absurdum geführt hat und bewiesen, dass Kunst nur Werbung und Werbung nur Kunst ist, also beides nichts besonderes, aber das Höchste und Erhabenste.“

Michael Schirner, Kisuaheli neumix, ohne Titel (Chirico)

Michael Schirner, Kisuaheli neumix, ohne Titel (Chirico), 1988, Öl auf Leinwand

Michael Schirner, Pictures in our Minds, Exhibition Shot

Michael Schirner, Pictures in our Minds, Exhibition Shot, Hamburg, 1985

Ich komme zu Schirners Ausstellung Pictures in our Minds: „Der Intermedia-Kongress 1985, die Messe der neuen Medien in Hamburg, war der Anlass. Hier wollte das Magazin STERN ein Zeichen setzen und die Kraft und Überlegenheit des guten alten gedruckten Mediums exemplarisch demonstrieren. Für die Demonstration des Printmediums galt es, ein Ausstellungskonzept zu finden, eine Form der Präsentation für die stärksten Bilder, die je in Zeitschriften und Zeitungen veröffentlicht wurden. Uns war klar, dass es nicht damit getan war, die bekannten Bilder in einer Fotoausstellung nebeneinander zu hängen. Wir wollten die Technik der Kommunikation von Imaginärem in der Kunst auf die Spitze treiben, indem wir uns weit entfernten von Referenzen auf Außenliegendes, uns stattdessen auf das Innere des Betrachters, seine Phantasie- und Gedankenarbeit beziehen. Wir machten den Betrachter zu seinem Medium: Die Hardware ist sein Gehirn, die Software seine Imagination, auf seiner Festplatte sind alle Bilder, die in seinem Kopf gespeichert sind. Deshalb gaben wir dem Projekt den Titel Pictures in our Minds.

Die Besucher der legendären ersten Ausstellung Pictures in our Minds betraten eine Fotoausstellung ohne Fotos. Statt der Bilder sahen sie 38 schwarze Tafeln, auf denen in weißer Schrift die Beschreibungen bekannter Fotos zu lesen sind. Die Texte auf den Tafeln des imaginären Museums ließen die Bilder in den Köpfen der Betrachter entstehen. Hier war nur noch die Imagination des Betrachters gefordert, das Schwarze der Tafeln aufzuhellen. Das ist Kunst der Zukunft: Das Bild muss es aushalten können, ganz in der Imagination zu verschwinden. Der Text, und vor allem der Autor, müssen dasselbe aushalten können.“

Ich habe Ihnen die neueste usbe von foam international photography magazine mitgebrach. Mit dem Portfolio von 20 Seiten feiert foam Michael Schirners Pictures in our Minds. Lassen Sie uns einen Blick in die Ausstellung  werfen.

Michael Schirner "The footprint of the first man on the moon"

Michael Schirner, Pictures in our Minds, The footprint of the first man on the moon, 2012

Sie sehen eine der 120 x 120 cm großen schwarzen Tafeln. Sie lesen den Text darauf: The footprint of the first man on the moon. Sie schließen die Augen. Vor Ihrem inneren Auge tauchen die Bilder der ersten Mondlandung auf. Die Mondfähre. Ein Astronaut. Die Mondoberfläche. Der Boden im Close Up. Der Fußabdruck des Moonboots. Vergessen Sie nicht die Nasa-Passerkreuze auf dem Foto. Geschafft: Sie sind Schöpfer des Bildes in Ihrem Kopf. Es ist Ihr Bild. Sie sind der Fotograf. Es ist Ihr Fußabdruck. Sie sind der erste Mensch auf dem Mond.

Michael Schirner "Crowds on the Berlin Wall"

Michael Schirner, Pictures in our Minds, Crowds on the Berlin Wall, 2012

Sie lesen: „Crowds on the Berlin wall“. Sie schließen wieder die Augen. Sie machen aus dem Text an der Wand ein Bild in Ihrem Kopf. Das Bild der Menge auf der Berliner Mauer ist Ihr Werk. Ihr Bild ist stärker als die Fotovorlage, weil es seit dem Fall der Mauer ein Teil von Ihnen ist.

Alle Bilder in Ihrem Kopf sind stärker, intensiver, bewegender als die Bildvorlagen in Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen, Kino, Museen etc. weil es Ihre Bilder sind. Ihr geistiges Eigentum. Sie sind der Schöpfer Ihrer Bilder.

Michael Schirner "Tortured Iraqi prisoner with hood"

Michael Schirner, Pictures in our Minds, Tortured Iraqi prisoner with hood, 2012

Der gefolterte Gefangene Iraker mit Kapuze. Wenn Sie das Bild nicht gleich vor Augen haben, weil es in Ihrem kollektiven Gedächtnis schlummert, wecken Sie es nicht, lassen Sie es schlummern. Sie wissen, es ist auf Ihrer Festplatte im Ordner mit Bergen nackter, mit Kot beschmierter gefolterter, gefangener Iraker. Ihre Nachbarin hat das Bild vor Augen: den Kapuzenmann mit Mantel und ausgebreiteten Armen in Abu Ghraib… die Stromkabel an seinen Händen.

Michael Schirner "Marilyn Monroe poised over a subway air-shaft"

Michael Schirner, Pictures in our Minds, Marilyn Monroe poised over a subway air-shaft, 2012

Marilyn Monroe auf Subway-Luftschach. In Ihrem Kopf läuft ein Film ab. Sie sind Regisseur- und Protagonistin. Ihr weißer Rock fliegt höher und höher; sie haben Mühe, ihn mit den Händen festzuhalten. Der Filmtitel? Richtig: Das verflixte 7. Jahr. Nur an den Namen des Herrn am linken Bildrand können Sie sich nicht mehr erinnern. Oder doch?

Michael Schirner "Naked Vietnamese child fleeding after a napalm attack"

Michael Schirner, Pictures in our Minds, Naked Vietnamese child fleeding after a napalm attack, 2012

Das Bild des nackten vietnamesischen Kindes, das nach einem Napalm-Angriff schreiend auf der Straße von Trang Bang flieht. Ihr Bild sorgte dafür, dass der Vietnamkrieg beendet wurde. Das Bild hat die Welt zu verändern.

Michael Schirner "Wreckage of the World Trade Center"

Michael Schirner, Pictures in our Minds, Wreckage of the World Trade Center, 2012

Die Trümmer des World Trade Center. Das Bild führte dazu, dass der Krieg gegen den Terrorismus begann. Das Bild vom erschossenen Bin Laden fehlt in Ihrer Sammlung.

Michael Schirner "Albert Einstein sticking his tongue out"

Michael Schirner, Pictures in our Minds, Albert Einstein sticking his tongue out, 2012

Das Tolle an den Bildern in Ihrem Kopf – im Gegensatz zu analogen Kunstwerken, von denen es immer mehr gibt, und die immer mehr Platz wegnehmen – ist, dass bei Ihren Bildern im Kopf die Kosten für Lager-, Transport- und Versicherung gleich Null sind. Das heißt, Ihre Bilder sind äußerst umweltfreundliche und platzsparende Kunst. Vielleicht streckt Albert Einstein deshalb allen Sammlern von analogen Kunstwerken die Zunge raus.

Michael Schirner "Portrait of Che Guevara"

Michael Schirner, Pictures in our Minds, Portrait of Che Guevara, 2012

Das Portrait von Che Guevara. Es ist Ihr Portrait. Sie sind der Che Guevara der Kunst der Zukunft. Sie haben die elitären, egomanischen Künstlergenies, abgesetzt und mit ihren sperrigen, verschrobenen Werken in Museen eingesperrt. Sie, verehrte Gäste, Sie sind Sammler, Kurator, Künstler und Betrachter in einer Person. Mit dem imaginären Museums der Bilder in Ihrem Kopf sind Sie im Besitz der größten und eindrucksvollsten Sammlung, die es gibt. Und das Tolle, alle Werke sind das Ergebnis Ihrer Phantasie- und Gedankenarbeit. Sie sind Schöpfer der faszinierendsten Bilder der Welt. Selbst die Werke der bekanntesten Appropriation Artists haben Sie appropriiert, wiederfotografiert und ganz ohne Fotoapparat.

In foam finden Sie einen Text von Hans Ulrich Reck, Professor der Kunstgeschichte und Medientheorie an der Medienkunsthochschule in Köln, zu Pictures in our Minds von Michael Schirner. Bei den Bildern im Kopf ist der Betrachter wichtiger als der Künstler. Beim Text über die Bilder ist der Hörer – das sind Sie – wichtiger als der Sprecher bzw. Schreiber des Texts. Ich lese ein Stück aus Recks Text: „Dass Bilder erst wirklich ’sind‘, nämlich lebendig wirken, in einer aktuellen Wahrnehmung, gilt schlechterdings für alle Bilder. Besonders aber für diejenige Art von Bildern, die man als artifizielle Konstrukte bezeichnen kann. Bilder also, die nichts anderes sein wollen als ein Anstoß, ein Anlass oder Ausgangspunkt solcher Wahrnehmung. Es handelt sich hier wesentlich um eine Errungenschaft der radikalen Moderne, die an die Stelle ritueller und auratischer, religiöser und sakraler Bilder die ästhetische Reflektion gesetzt hat. Diese aber keineswegs nur abstrakt, als philosophische Kategorie, sondern in poetischer Gestalt. Seit, zum Beispiel Kasimir Malewitsch, bedeutet, Bilder zu sehen, sich zur eigenen Wahrnehmung in ein aktives Verhältnis zu setzen. Bedeutet, das Sehen zu sehen und die Wahrnehmung an den Mechanismen der Wirkung von Bildern zu betrachten. Das Gefüge in der Verbindung zwischen Autor, Werk, Betrachter wird komplizierter. Die Bilder verlieren ihre bisherige Autorität und gewinnen neue Kraft. Sie verwandeln sich von Repräsentanten eines Sinns zu ‚Kraftwerken‘ einer Erfahrung. Es verschiebt sich im Zuge der modernen Poetik das Werk und die Autorität seines Erzeugers auf den Gang der Erfahrungen auf Seiten des Betrachters. Die Bedeutung der Bilder ist ihr Gebrauch in der Gesellschaft. So könnte man bildtheoretisch Wittgensteins Auffassung vom Gebrauch der Sprache umschreiben. Auch für die Bilder gilt, dass sie nicht in ein einziges Sprachspiel aufgelöst werden können, sondern dass stets viele und diverse Formen und Weisen des Visuellen gegeben sind.

Schirners Werk legt folgende Diagnose nahe: Die schöpferischen Leistungen der Rezipienten müssen neu und angemessen auch in den Konsequenzen der Nutzung der Bilder im öffentlichen Gebrauch bewertet werden. Die Bilder sind öffentliche Medien geworden. Sie sind konsequent in ihrer öffentlichtkeitsmodellierenden Kraft zu erkennen und zu diskutieren. Künstler, die durch Bekanntheit ihrer Werke, also genuine Bild- und Werkerfindungen, in den Zirkulationsbereich strikter öffentlicher Bilder hineingehören, sind eben solche, die den Bestand der lebensweltlichen Kommunikation in ihre Bildfindungen einbeziehen. Das gilt für Picassos ‚Guernica‘ ebenso wie für die Werke der Pop Art. Und eben auch für Michael Schirner. Man kann die Sachlage so zusammenfassen: Das 20. Jahrhundert hat den Betrachter als produktive, ja schöpferische Instanz in das Werk selber integriert. Das Werk verschiebt sich auf den Prozess, der Anspruch des Autors auf die Wirkweisen des Mediums. Kreieren bedeutet nun vorrangig: Inszenieren, Arrangieren, Edieren, immer wieder neu Thematisieren. Die Kräfte haben sich verschoben, das Dispositiv verwandelt. Die privilegierte, ontologisch starre Position eines hierarchisch und autoritativ allem Prozessualen enthobenen, genuinen und originären Erfinders als Figur ‚des‘ Künstlers ist überholt. ‚Kunst ohne Werk‘, ‚Kunst ohne Künstler‘ sind entscheidende Stichworte der Beschreibung und Errungenschaften der Künste im 20. Jahrhundert.“

Katalog "Bilder im Kopf"

Michael Schirner, Bilder im Kopf, Katalog, NRW Forum Düsseldorf, 2007

In der Ausstellung  im NRW Forum Düsseldorf 2007 wurden 10 Jahrhundertbilder als Hörbilder vorgestellt. An den Wänden des Forums hingen 10 CD-Player; über Headsets konnten die Besucher die Geschichten der Bilder hören. Zusätzlich zur Ausstellung wurden die „Bilder im Kopf“ vom WDR Hörfunk an 10 Tagen ausgestrahlt.

CD im Katalog "Bilder im Kopf"

Michael Schirner, Bilder im Kopf, Katalog, NRW Forum Düsseldorf, 2007

Das Hörbild – Spanischer Loyalist, 1936 von Robert Capa – beginnt so: „Soldaten sterben nicht. Soldaten fallen. Dieser fällt buchstäblich. Aber stirbt er auch? Hat ihn die Kugel getroffen? Oder wirft er sich im Dienste linker Propaganda rückwärts ins Gras? Sicher ist: Robert Capas Bild eines stürzenden spanischen Milizionärs zählt zu den berühmtesten Photographien des 20. Jahrhunderts. Es ist nicht das erste Kriegsfoto der Geschichte. Aber womöglich „das erste überzeugende Actionbild mitten aus dem Kriegsgeschehen heraus“, wie Carol Squiers formuliert. Richard Whelan spricht von der „erregendsten unmittelbarsten Momentaufnahme des Krieges“, die je gelungen sei. Russel Miller bezeichnet die Aufnahme als das „beste Kriegsfoto aller Zeiten. … Fact ist: Von 70.000 Aufnahmen, die der 1913 in Ungarn geborene Robert Capa gemacht hat, ist dies die weltweit bekannteste. Und die umstrittenste zugleich. Bis heute halten sich Gerüchte, das Bild sei inszeniert. Im Bildjournalismus sind Strategien der Inszenierung entschieden tabu. Wer Fotos stellt, riskiert seine Glaubwürdigkeit als Zeuge der Zeitgeschichte. Mehr noch: Er riskiert die Glaubwürdigkeit seines kompletten Oevres.“

Hier die Liste weiterer Hörbilder der Ausstellung :

– Migrant Mother, Nipomo, California, 1936 von Dorothea Lange
– V.J. Day, 15. August 1945 von Alfred Eisenstedt
– Marilyn Monroe auf Lüftungsschacht, 1954 von Sam Shaw
– James Dean am Times Square, 1955 von Dennis Stock
– Flucht aus Ost-Berlin, 15.August 1961 von Peter Leibing
– Willy Brandt in Warschau, 1970 von Sven Simon
– Das Mädchen von Vietnam, 1972 von Nick Ut
– Hanns Martin Schleyer – Gefangener der RAF, 6. September 1977, aufgenommen von einem Mitglied der RAF
– 11. September 2001, anonym

Michael Schirner, "Bilder im Kopf", Exhibition Shot 2007

Michael Schirner, Bilder im Kopf, Exhibition Shot, NRW Forum Düsseldorf, 2007

Auf dem Exhibition Shot der Ausstellung im NRW-Forum sehen Sie Michael Schirner im Panda-Kostüm vor Bildern, mit denen er Bürgerinnenrechte für Tiere einfordert.

Michael Schirner, "The head of the South Vietnamese police shooting a panda"

Michael Schirner, Pictures in our Minds, The head of the South Vietnamese police shooting a panda, 2007, Siebdruck auf Leinwand, 120 x 120 cm

Michael Schirner, "The footprint of the first panda on the moon"

Michael Schirner, Pictures in our Minds, The footprint of the first panda on the moon, 2007, Siebdruck auf Leinwand, 120 x 120 cm

Michael Schirner, "Genetically manipulated panda with an ear growing on his back"

Michael Schirner, Pictures in our Minds, Genetically manipulated panda with an ear growing on his back, 2007, Siebdruck auf Leinwand, 120 x 120 cm

Michael Schirner, "Michael Jackson holding a panda baby out of the window of the Adlon Hotel"

Michael Schirner, Picturex in our Minds, Michael Jackson holding a panda baby out of the window of the Adlon Hotel, 2007, Siebdruck auf Leinwand, 120 x 120 cm

Michael Schirner, "China's Mongolian Cow Yogurt Super Girl 2005 with panda"

Michael Schirner, Pictures in our Minds, China’s Mongolian Cow Yogurt Super Girl 2005 with panda, 2007, Siebdruck auf Leinwand, 120 x 120 cm

Michael Schirner, "The last picture of Bruno",

Michael Schirner, Pictures in our Minds, The last picture of Bruno, 2007, Siebdruck auf Leinwand, 120 x 120 cm

Michael Schirner, "The last picture of the bear Mitrofan"

Michael Schirner, Pictures in our Minds, The last picture of the bear Mitrofan, 2007, Siebdruck auf Leinwand, 120 x 120 cm

In der Ausstellung im NRW-Forum wurden neben 10 Hörbildern, 7 Texttafeln zusätzlich noch Bilder im Kopf der Chinesen veröffentlicht: Im Katalog erschien ein Beitrag von Michael Schirner mit dem Ergebnis einer Umfrage, die er mit Kexin Zang unter Studierenden der Central Academy of Fine Arts in Beijing, China, durchgeführt hatte. Aus mehreren tausend Fotos und nach umfangreichen Recherchen, Gesprächen und Diskussionen wurden die 12 wichtigsten Bilder im Kopf der Chinesen ermittelt und im Katalog beschrieben.

Während Kexin Zang Ihnen die Bildtitel vorliest, entstehen in Ihrem Kopf Bilder, die Sie wahrscheinlich noch nie gesehen haben. Es sind die wichtigsten Bilder der meisten der 1,4 Milliarden Chinesen; sie machen einen wesentlichen Teil des kollektiven Gedächtnisses einer Nation aus.

– Kaiserin Witwe Ci Xi in Gewändern eines Bodhisattva Alvalokites
– Peking-Oper-Star Mei Lang Fang und Charly Chaplin schütteln sich die Hände
– Dr. Norman Bethune operiert einen Schwerverletzten im 2. Chinesisch-japanischen Krieg
– Mao, Ze Dong proklamiert die Gründung der Volksrepublik China
– Mao, Ze Dong schwimmt im Yang Zi Jiang
– Liu, Shao Qi ehrt Chuan Xiang für das Leeren der Toiletten Pekings
– Der Soldat Lei, Feng
– Der 5 Kilometer lange Abschied von Zhou, En Lai
– Deng, Xiao Ping, einen Tag nach seinem Rückzug aus der Politik, zeitunglesend
– Die Schülerin mit den großen Augen
– Der erste Taikonaut nach seiner Rückkehr aus dem All
– Chinas Mongolei-Kuh-Joghurt-Supergirl 2005 mit Panda

chael-schirner-bye-byeA: Ich wollte wissen, was die Pictures in our Minds wirklich wollen.
Q.: Die Antwort?
A.: Sie haben Sehnsucht nach Bildern, auf denen das, was sie lieben und wonach sie sich sehnen, fehlt. Also genau das, was die Everly Brothers mit ihrem Song „Bye bye love“ meinten. So entstanden die Bilder der Serie BYE BYE.

www.michael-schirner-bye-bye.de

Mit den Bildern der Serie BYE BYE ist es ähnlich wie mit den „Pictures in our Minds“: Jeder sieht darin seine eigenen Bilder. Der Autor und Kurator Oliver Koerner von Gustorf sieht in der Serie den Tod der Anderen und das Verschwinden von Original und Autor; das ist auch der Titel seines Beitrags im Katalog der Ausstellung in den Hamburger Deichtorhallen. Hier ein Auszug:

Michael Schirner, BYE BYE, NOR44

Michael Schirner, BYE BYE, NOR44, Fine Art Print, 2002 – 2009

„Das ästhetische und theoretische Terrain, das Michael Schirner mit BYE BYE betritt, ist ebenso weit wie die entleerten Szenarien seiner Digigraphien. Bereinigt von Menschen erscheint die Landung der Alliierten 1944 in der Normandie nur noch als ein wolkiges, entmaterialisiertes Seestück.

Michael Schirner, BYE BYE, CER36

Michael Schirner, BYE BYE, CER36, Fine Art Print, 2002 – 2009,  based on a photograph by Robert Capa

Robert Capas ikonische, 1936 entstandene Kriegsfotografie „Loyalistischer Soldat im Moment des Todes“ reduziert sich auf eine verwackelte Landschaft mit flüchtigem Horizont. Es sei das Ziel seiner jüngsten Arbeiten, betont Schirner, das „Unsichtbare im Sichtbaren“ zu zeigen – die vielen unscheinbaren und unbemerkten Details jener massenmedialen Bilder, die in unserem Bewusstsein wie in einem fotografischen Archiv der Welt abgespeichert sind.

Michael Schirner, BYE BYE, MUN72

Michael Schirner, BYE BYE, MUN72, Fine Art Print, 2002 – 2009, based on a photograph by Raymond Depardon/Magnum Photos

„Nicht nur der vermummte palästinensische Terrorist, der während der Olympischen Sommerspiele in München 1972 bei der Geiselnahme der israelischen Mannschaft fotografiert wird, hat sich in unserer Imagination verankert, sondern auch der Beton-Balkon, auf dem er steht.

Michael Schirner, BYE BYE, WAR70

Michael Schirner, BYE BYE, WAR70, Fine Art Print, 2002 – 2009

Von Willy Brandts Kniefall 1970 in Warschau bleiben fragmentarische Eindrücke im Gedächtnis hängen: regennasser Stein, die Steigung der Stufen, das Weiß der Blumen im Gedenkkranz. Schirners Bilder wirken trotz ihrer Reduktion so unheimlich bekannt, weil wir sie reflexartig nach den Vorlagen in unseren Köpfen ergänzen, ihre Leerstellen ausfüllen. Wir sind also Mitautoren. Sein konzeptioneller Ansatz, die zentralen Personen oder Gegenstände und die wesentlichen Bildelemente von ikonischen Fotografien auf ein Minimum zu reduzieren, erzeugt einen Déjà-vu-Effekt, der jedes seiner Szenarien zugleich zum Tatort werden lässt – weil man intuitiv fühlt, dass etwas fehlt oder anonymisiert wurde. Das Gefühl, dass sich etwas Gewaltsames zugetragen hat, kommt nicht von ungefähr. Denn tatsächlich ist der Tod auf sämtlichen dieser geisterhaften und häufig banal anmutenden Bilder präsent – sei es, weil es sich bei den Vorlagen um Aufnahmen handelt, die unmittelbar mit Katastrophen, historischer und politischer Gewalt in Zusammenhang stehen oder weil das Verschwinden von Menschen aus einem Foto der symbolischen Auslöschung der jeweiligen Person gleichkommt. Wenn vom Tod des Autors gesprochen wird und wir, wie Schirner es postuliert, die Autoren seiner Bilder sind, dann lässt er uns diesen Tod in unserer Imagination als den eigenen erleben.

Michael Schirner, BYE BYE, MOS20

Michael Schirner, BYE BYE, MOS20, Fine Art Print, 2002 – 2009

Anders als bei den Bildmanipulationen der Stalinisten und Modemagazine geht es hierbei nicht um gezielte politische oder ästhetische Korrekturen oder die Zementierung bestimmter Bedeutungen, sondern um eine völlig lakonische ästhetische und inhaltliche Entleerung. Indem Schirner die Indizien stattgefundener Gewalt, die Täter, die Opfer, die Akteure auslöscht, fordert er uns auf, ihre Stelle einzunehmen. Schirner eliminiert die Gewalt nicht aus der Geschichte des 20. und 21. Jahrhunderts, er bittet den Tod nur, für einen Augenblick zur Seite zu treten, damit unsere Imagination mehr Platz hat.

Michael Schirner, BYE BYE, NEW32

Michael Schirner, BYE BYE, NEW32, Fine Art Print, 2002 – 2009

So können wir uns vorstellen, wie tief wohl der Fall der Bauarbeiter war, die gerade noch ihr Butterbrot auf einem Stahlträger über den Straßenschluchten von New York gegessen haben, der jetzt leer in den Himmel ragt.

Michael Schirner, BYE BYE, JER61

Michael Schirner, BYE BYE, JER61, Fine Art Print, 2002 – 2009

Wir können wie Eichmann in einem Glaskasten in dem Jerusalemer Gericht sitzen und des Völkermordes angeklagt werden.

Michael Schirner, BYE BYE, LAK37

Michael Schirner, BYE BYE, LAK37, Fine Art Print, 2002 – 2009

Wir können mit der Hindenburg explodieren.

Michael Schirner, BYE BYE, TRA72

Michael Schirner, BYE BYE, TRA72, Fine Art Print, 2002 – 2009

„Mit dem Eintritt ins Bild eröffnen sich also unweigerlich medientheoretische Diskurse, Fragen danach, was eine Fotografie ihrem Wesen nach überhaupt ist. In diesem Sinne vermittelt BYE BYE so etwas wie eine Nahtoderfahrung. Man sieht sich in der Gestalt von anderen quasi selbst beim Verschwinden zu – in Gedächtnisbildern, die uns in ihrer Anonymität und Leere das Drama unserer eigenen Sterblichkeit vor Augen führen.“

Die Autorin Brigitte Werneburg sieht in den Bildern der Serie BYE BYE das, was Sie als Betrachter in ihnen sehen. Ein Auszug ihres Katalogbeitrags: „Einen Vorschlag, intersubjektive Wahrnehmung und Erinnerung trotz der gleichzeitig unhintergehbar individuellen Perspektive allen Sehens zu verstehen, macht die Philosophin Eva Schürmann in ihrer Untersuchung Sehen als Praxis. Visuelles Wahrnehmen ist eine Handlung, so ihre These. Es ist eine performative Praxis, die eine ähnlich epistemisch, ethisch und ästhetisch Welt erschließende Funktion hat wie das Sprechen. Unsere Wahrnehmung wäre dann eine stets bildermachende Wahrnehmung. Sie kann sich nicht in instrumenteller objektiver Erkenntnisleistung erschöpfen, sondern muss von vornherein individuelle Fantasie und persönliches Stilbewusstsein mit einbegreifen, das Gespür für das Opake, für die Form, den Rhythmus und die Farbe sowie die Aufmerksamkeit für jene Hintergrund- und Detailinformationen, die nach Albert Oehlen Schirners „sehr, sehr gute Bilder“ ausmachen. Am Ende charakterisieren diese Detailinformationen Michael Schirners Bilder der Serie BYE BYE genauso, wie ihr Klang jene Gedichte und Songs auszeichnet, die wir jederzeit erkennen, obwohl wir ihre einzelnen Strophen nicht auswendig dahersagen könnten: Bye bye, love …“

Michael Schirner, BYE BYE, WAR70

Gregor Jansen und Robert Klatten, Fine Art Print, Kaschierung auf Alu-Dibond-Platte 

Im Buch Art and Agenda zeigen die Autoren Gregor Jansen und Robert Klatten Michael Schirners Bild BYE BYE, WAR70 zusammen mit einem Zitat von Marcel Duchamp zur Beteiligung des Betrachters am kreativen künstlerischen Akt: „All in all, the creative act is not performed by the artist alone; the spectator bringst the work in contact with the eternal world by deciphering and interpreting it’s inner qualification and thus adds his contribution to the creative act …“

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. April 2010, Nr. 87 / 15 D3

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. April 2010, Nr. 87 / 15 D3

2009 wurden Michael Schirners Arbeiten der Serie BYE BYE von der Jury der Lead Awards ausgezeichnet und mit Gewinnerarbeiten in den Hamburger Deichtorhallen ausgestellt. Markus Peichl, Organisator der Lead Awards und Partner von Andreas Osarek, dem Leiter der Berliner Crone Galerie, schlug vor, Schirners ausgezeichnete Arbeiten in der Galerie auszustellen. Der Medienkünstler wollte mehr: eine Einzelausstellung in den Deichtorhallen, eine mehrseitige BYE BYE-Bildstrecke in der Frankfurter Allgemeine Zeitung, BYE BYE-Großflächenplakate und -Citylight-Poster in Hamburg, Berlin, Düsseldorf Frankfurt und ein BYE BYE-Katalogbuch, das die Medienkunstaktion dokumentiert.

Frank Schirrmacher, Chefredakteur und Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der radikaler Ideen liebte, war so begeistert von der Schirners Serie, dass er eine aktuelle Ausgabe der FAZ von der ersten bis zur letzten Seite mit Arbeiten der Serie BYE BYE bebildern und die geplanten Pressefotos der Ausgabe löschen und durch BYE BYE-Fotos ersetzen lassen wollte.

Am 15. April 2010, dem Eröffnungstag der Ausstellung Michael Schirner I BYE BYE in den Hamburger Deichtorhallen erschien die FAZ und 17 redaktionellen Beiträgen waren mit 17 Fotos der Serie BYE BYE bebildert. Das Titelbild auf Seite 1 zeigt die Arbeit BYE BYE, CER36, Fine Art Print, 2002 – 2009, based on a photograph by Robert Capa, darüber steht: „Kriegsbild?“, darunter „Bilderrätsel – Hier fehlt etwas – aber was? Die Auflösung finden Sie auf Seite 4. Es geht dabei um Leben und Tod, so wie auch in Afghanistan auf Seite 3, wo Soldaten in einem Konflikt im Einsatz sind, mit dessen Benennung sich die deutsche Politik so schwertut, dass der Außenminister und die Opposition lange Umschreibungen dafür benötigen. Was es mit dieser begrifflichen Verwirrung auf sich hat und weshalb manche ein kurzes Wort mit fünf Buchstaben nicht verwenden wollen, steht auf Seite 31. Noch mehr Rätsel finden sich im ganzen Feuilleton.“

Es folgen Ausschnitte der FAZ vom 15. April 2010 mit BYE BYE-Motiven und Bildunterschriften der Redaktion.

 

Michael Schirner, BYE BYE, WAR70, 2002 – 2010, Digigraphie by Epson

Geschichtsbücher werden immer wieder umgeschrieben. Ein wenig wohler ist einem aber doch, wenn sie noch gedruckt vorliegen.

Michael Schirner, BYE BYE, NOR44, 2002 – 2010, Digigraphie by Epson

Wenn man Windstärke, Temperatur und Niederschlagsmenge vorausberechnen kann, ist dann auch der Ausgang der Geschichte bereits determiniert?

Michael Schirner, BYE BYE, NEW55, 2002 – 2010, Digigraphie by Epson, based on a photograph by Dennis Stock/Magnum Photos

Helden gehen gern zu Fuß, auch wenn sie hoch hinaus wollen.

Michael Schirner, BYE BYE, VER84, 2002 – 2010, Digigraphie by Epson

Die Polen greifen in höchste Register öffentlichen Gedenkens und erweisen damit ihrem verunglückten Präsidenten eine heikle letzte Ehre.

Michael Schirner, BYE BYE, YAN66, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson

Wenn die Natur außer Kontrolle gerät, versagen die Bilder.

Michael Schirner, BYE BYE, CLE08, 2002 – 2010, Digigraphie by Epson

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr: Auf dem Land herrscht jedenfalls ein anderes Verhältnis zur Transgression als in großen Städten.

Michael Schirner, BYE BYE, TRA72, 2002 – 2010, Digigraphie by Epson

Krieg, das heißt Gräuel. Man entkommt ihnen nicht, wenn man nicht von ihm spricht.

Michael Schirner, BYE BYE, PAR97, 2002 – 2010, Digigraphie by Epson

Manchmal wäre es besser, nicht durch Drehtüren zu eilen.

Michael Schirner, BYE BYE, BAG08, 2002 – 2010, Digigraphie by Epson

Der Traum aller Gäste des Pictoplasma-Festivals ist es, die Welt des Trickfilms um eine Figur zu bereichern, die später jeder kennt.

Michael Schirner, BYE BYE, NEW32, 2002 – 2010, Digigraphie by Epson

Hoch hinaus, denn Baukunst heißt heute überwiegend Montage.

Michael Schirner, BYE BYE, TOR98, 2002 – 2010, Digigraphie by Epson

Die ewige Frage: Was würdest du wählen, wenn du entscheiden könntest zwischen dem Leiden und dem Nichts.

Michael Schirner, BYE BYE, JER61, 2002 – 2010, Digigraphie by Epson

Ein Mann, der sein Rollenbild für die Wirklichkeit nahm.

Michael Schirner, BYE BYE, GEN87, 2002 – 2010, Digigraphie by Epson

Die ARD blickt auf ihre Geschichte zurück. Vier Nächte lang geht es um Wegmarken des politisch, informierenden wie des unterhaltenden Fernsehens. Einen neuen Slogan gönnen sich die Sender demnächst auch: „Wir sind eins. ARD.“

Michael Schirner, BYE BYE, NEW01, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson, based on a photograph by Thomas Hoepker/Magnum Photos

Michael Schirner, BYE BYE, NEW01, Fine Art Print, 2011, based on a photograph by Thomas Hoepker/Magnum Photos

Zum neuesten Bild der Serie BYE BYE: Es hat den Titel NEW01 und wurde zusammen mit MUN72 und IWO45 in der Ausstellung Bilder vom Terror in Berlin gezeigt. Zu dem Bild kam es so: Der Magnum-Fotograf Thomas Hoepker fragte Michael Schirner, ob er sein berühmtes Bild Blick von Brooklyn auf Manhattan, 11. September 2001„nicht – wie er sich ausdrückte – „verzaubern“ könne, damit aus dem Bild mit der schrecklichen schwarzen Wolke ein ganz normales Touristenfoto wird.

 

Hans Ulrich Reck schreibt, Schirners Werk lege folgende Diagnose nahe: „Die schöpferischen Leistungen der Rezipienten müssen neu und angemessen auch in den Konsequenzen der Bilder im öffentlichen Gebrauch bewertet werden.“ In diesem Sinne rufen wir auf zu einer Kulturrevolution der Wende zum Immateriellen und zitieren aus unserem Manifest der Rezipienten als Produzenten:

„Wir fordern, dass unsere künstlerischen schöpferischen Leistungen als Rezipienten – Betrachter, Hörern, Leser, Nutzer etc. – von Werken Dritter nicht länger kostenpflichtig oder kostenlos sind, sondern ganz im Gegenteil: Wir müssen endlich angemessen für unsere Imagination, Phantasie- und Denkarbeit honoriert werden. Das heißt, als Besucher von Museen müssen wir für die Betrachtung von Werken honoriert werden. Das gilt für alle Rezeptionsformen in Kunst, Kultur, Unterhaltung, Sport, Werbung etc.

Das heißt, in Theater, Konzert, Kino und bei allen Formen von Veranstaltungen werden wir für unsere geistigen und eigenschöpferischen Leistungen – wie bei den alten Griechen und in modernen Diktaturen – fürstlich bezahlt. Bei Veranstaltungen minderer Qualität – z.B. Politik und Werbung – stehen uns höhere Zahlungen als Schmerzensgeld zu. Das Prinzip der Honorierung für unsere Rezeptionsleistungen gilt besonders für unsere Nutzung von Medienprodukten wie Zeitungen, Zeitschriften, Büchern, Fernseh- und Hörfunk- und Kinoprogrammen, audiovisuellen Datenträgern, sowie für aller Formen und Inhalte digitaler Medien. Mit Freuden lesen wir, dass Brasilianische Gefängnisinsassen vorzeitig freigelassen werden, wenn sie nachweislich täglich Bücher lesen und Buchbesprechungen verfassen. Wir sollten von Brasilien lernen.

Vor allem soll die geistige Arbeit des Lernens in der Ausbildung mit Geld gefördert werden. Auszubildende, Schüler und Studierende müssen fürs Lernen bezahlt werden, statt Gebühren dafür zu zahlen oder kostenlos geistig zu arbeiten. Wir alle müssen für lebenslanges Lernen bezahlt werden. Wer soll das bezahlen? Um die Wende zum Immateriellen zu finanzieren, werden alle materiellen Güter und Leistungen mit einem Spitzensatz von 100% besteuert. So werden Produktion und Konsum von materiellen Gütern auf das Nötige begrenzt, was unserer Umwelt zugute kommt und unseren Ressourcen schont.

Meine Damen und Herren, gern hätten wir Ihnen Schmerzensgeld für Ihre Anwesenheit in dieser Lecture ohne Lecturer gezahlt, und zwar in der Höhe des Honorars, das Michael Schirner für seine Abwesenheit bekommt. Aber leider ist es noch nicht soweit.

Uns bleibt nur, Ihnen für ihre engagierte Teilnahme und Ihre Geduld ganz herzlich zu danken: Vielen Dank.

 

Fußnoten:

1 BYE BYE – Homepage
2 Schirner, 1988, S. 183 ff
3 Schirner, 1988, S. 221
4 Homepage BYE BYE
5 Reck, 2012, S. 185 ff
6 Koetzle, 2007, S. 21
7 von Gustorf, 2010, S. 143 ff
8 Werneburg, 2010, S. 143 ff

 

Literaturverzeichnis:

1 www.michael-schirner-bye-bye.de
2 Schirner, Michael, 1988 „Werbung ist Kunst“, München
3 Schirner, Michael, 1988 „Werbung ist Kunst“, München

1 www.michael-schirner-bye-bye.de
2 Schirner, Michael, 1988 „Werbung ist Kunst“, München
3 Schirner, Michael, 1988 „Werbung ist Kunst“, München
4 www.michael-schirner-bye-bye.de
5 Reck, Hans Ulrich, 2012, „Creative Inconoclasm“ in: „Foam“, Amsterdam, S. 185 ff
6 Koetzle, Hans-Michael, 2007, „Spanischer Loyalist, 1936, in: „Bilder im Kopf“, Düsseldorf, S. 21
7 von Gustorf, Oliver Koerner, 2010, „Der Tod der Anderen“ in: Schirner, Michael, „BYE BYE“, 2010, Berlin, S. 142
8 Werneburg, Brigitte, 2010, „Transparent – Opak“ in: Schirner, Michael, „BYE BYE“, 2010, Berlin, S. 143 ff

 

Liste der Abbildungen:

Abb. 1: Lecturer BOY BOY, performance shot Kexin Zang
Abb. 2: Michael Schirner, BYE BYE, DÜS08, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson
Abb. 3: Schirner Michael, 1988 „Werbung ist Kunst“, München
Abb. 4: Anzeige für die Stadt Düsseldorf, Michael Schirner Werbe- und Projektagentur in: Schirner, 1988 „Werbung ist Kunst“, München, S. 146 f
Abb. 5: Michael Schirner, Kisuaheli neumix, ohne Titel (Vincent), 1987, Öl auf Leinwand
Abb. 6: Michael Schirner, Kisuaheli neumix, ohne Titel (Max Ernst), 1987, Öl auf Leinwand
Abb. 7: Michael Schirner, Kisuaheli neumix, ohne Titel (Ensor), 1987, Öl auf Leinwand
Abb. 8: Michael Schirner, Kisuaheli neumix, ohne Titel (Mondrian), 1987, Öl auf Leinwand
Abb. 9: Michael Schirner, Kisuaheli neumix, ohne Titel (Jorn), 1987, Öl auf Leinwand
Abb. 10: Michael Schirner, Kisuaheli neumix, ohne Titel (Chirico), 1987, Öl auf Leinwand
Abb. 11: Exhibition shot, 1987, aus: G+J, „Pictures in our Minds“, Hamburg, 1987, S. 96
Abb. 12: Michael Schirner, The footprint of the first man on the moon, 1985 – 2011
Abb. 13: Michael Schirner, Crowds on the Berlin Wall, 1985 – 2011
Abb. 14: Michael Schirner, Tortured Iraqi prisoner with hood, 1985 – 2011
Abb. 15: Michael Schirner, Marilyn Monroe poised over a subway air-shaft, 1985 – 2011
Abb. 16: Michael Schirner, Naked Vietnamese child fleeding after a napalm attack, 1985 – 2011
Abb. 17: Michael Schirner, Wreckage of the World Trade Center, 1985 – 2011
Abb. 18: Michael Schirner, Albert Einstein sticking his tongue out, 1985 – 2011
Abb. 19: Michael Schirner, Portrait of Che Guevara, 1985 – 2011
Abb. 20: Thomas Demand, Archiv, 1995, aus: „Bilder im Kopf“, Düsseldorf, NRW-Forum, 2007, Titelseite des Katalogs
Abb. 21: CD „Bilder im Kopf“, NRW-Forum, aus: „Bilder im Kopf“, Düsseldorf, NRW-Forum, 2007, Innentitel des Katalogs
Abb. 22: „Bilder im Kopf“, 2007, Düsseldorf, NRW-Forum, Exhibition Shot Kexin Zang
Abb. 23: Michael Schirner, The head of the South Vietnamese police shooting a panda, 2007, Siebdruck auf Leinwand
Abb. 24: Michael Schirner, The footprint of the first panda on the moon, 2007, Siebdruck auf Leinwand
Abb. 25: Michael Schirner, Genetically manipulated panda with an ear growing on his back, 2007, Siebdruck auf Leinwand
Abb. 26: Michael Schirner, Michael Jackson holding a panda baby out of the window of the Adlon Hotel, 2007, Siebdruck auf Leinwand
Abb. 27: Michael Schirner, China’s Mongolian Cow Yogurt Super Girl 2005 with panda, 2007, Siebdruck auf Leinwand
Abb. 28: Michael Schirner, The last picture of Bruno, 2007, Siebdruck auf Leinwand
Abb. 29: Michael Schirner, The last picture of the bear Mitrofan, 2007, Siebdruck auf Leinwand
Abb. 30: „Bye Bye, Love“ – Songtext, Screenshot der Homepage www.michael-schirner-bye-bye.de
Abb. 31: Michael Schirner, BYE BYE, NOR44, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson
Abb. 32: Michael Schirner, BYE BYE, CER36, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson, based on a photograph by Robert Capa
Abb. 33: Michael Schirner, BYE BYE, MUN72, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson, based on a photograph by Raymond Depardon/Magnum Photos
Abb. 34: Michael Schirner, BYE BYE, WAR70, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson
Abb. 35: Michael Schirner, BYE BYE, MOS20, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson
Abb. 36: Michael Schirner, BYE BYE, NEW32, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson
Abb. 37: Michael Schirner, BYE BYE, JER61, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson
Abb. 38: Michael Schirner, BYE BYE, LAK37, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson
Abb. 39: Michael Schirner, BYE BYE, TRA72, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson
Abb. 40: Michael Schirner, BYE BYE, WAR70, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson, in: Gregor Jansen & Robert Klanten, „Art & Agenda“, Berlin, 2011, S. 9
Abb. 41: Michael Schirner, BYE BYE, CER36, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson, based on a photograph by Robert Capa, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. April 2010, Nr. 87 / 15 D3, S. 1
Abb. 42: Michael Schirner, BYE BYE, WAR70, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. April 2010, Nr. 87, S. 27
Abb. 43: Michael Schirner, BYE BYE, NOR44, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. April 2010, Nr. 87, S. 28
Abb. 44: Michael Schirner, BYE BYE, NEW55, 2002 – 2010, Digigraphie by Epson, based on a photograph by Dennis Stock/Magnum Photos, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. April 2010, Nr. 87, S. 28
Abb. 45: Michael Schirner, BYE BYE, BEI89, 2002 – 2010, Digigraphie by Epson, based on a photograph by Stuart Franklin/Magnum, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. April 2010, Nr. 87, S. 28
Abb. 46: Michael Schirner, BYE BYE, VER84, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. April 2010, Nr. 87, S. 29
Abb. 47: Michael Schirner, BYE BYE, YAN66, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. April 2010, Nr. 87, S. 30
Abb. 48: Michael Schirner, BYE BYE, CLE08, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. April 2010, Nr. 87, S. 30
Abb. 49: Michael Schirner, BYE BYE, TRA72, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. April 2010, Nr. 87, S. 31
Abb. 50: Michael Schirner, BYE BYE, PAR97, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. April 2010, Nr. 87, S. 31
Abb. 51: Michael Schirner, BYE BYE, BAG08, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. April 2010, Nr. 87, S. 32
Abb. 52: Michael Schirner, BYE BYE, NEW32, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. April 2010, Nr. 87, S. 32
Abb. 53: Michael Schirner, BYE BYE, TOR98, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. April 2010, Nr. 87, S. 33
Abb. 54: Michael Schirner, BYE BYE, HAM08, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. April 2010, Nr. 87, S. 34
Abb. 55: Michael Schirner, BYE BYE, JER61, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. April 2010, Nr. 87, S. 34
Abb. 56: Michael Schirner, BYE BYE, GEN87, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. April 2010, Nr. 87, S. 35
Abb. 57: Michael Schirner, BYE BYE, IWO45, 2002 – 2011, Digigraphie by Epson, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. April 2010, Nr. 87, S. 36
Abb. 58: Michael Schirner, BYE BYE, NEW01, 2002 – 2010, Digigraphie by Epson, based on a photograph by Thomas Hoepker/Magnum Photos

LECTURES UND LECTURE PERFORMANCES

Michael Schirner und Kexin Zang, Let’s Go Weast! Symposium: Ästhetik der Globalisierung,
Kiel 2013:
http://www.muthesiuskunsthochschule.de
http://www.portalkunstgeschichte.de

 

Michael Schirner, Mich gibt es gar nicht, Typo Berlin 2012:
http://www.slanted.de
http://typotalks.com

 

Michael Schirner, Die besten Ideen der Werbung kommen aus der Kunst – und umgekehrt, Universität für angewandte Kunst Wien  2012:
http://www.klassefuerideen.at
http://esel.at
http://www.zufallsproduktion.at/?p=1610

 

Michael Schirner zu Gast in der Klasse für Ideen (Video):
http://www.youtube.com

 

Michael Schirner, Mich gibt es gar nicht, Lecture Performance auf Symposium Ephemer, Muthesius Kunsthochschule, Kunsthalle zu Kiel 2012:
http://www.muthesius-kunsthochschule.de

 

Michael Schirner, Mich gibt es gar nicht, „Wei sraum. Forum Visuelle Gestaltung Innsbruck“ in Kooperation mit aut, Innsbruck 2012:
http://www.designaustria.at
http://oe1kalender.orf.at

 

Michael Schirner, Werbung, LeadAward Symposium, Hamburg 2012:
http://www.leadacademy.de

 

Michael Schirner, Profit, Some Conference, Burg Giebichenstein, Kunsthochschule Halle 2011:
http://www.someconference.org/
http://www.burg-halle.de
http://peoplecheck.de

 

Michael Schirner, POPE, Profile Intermedia, Bremen 1998:
http://de-bug.de

 

 

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MICHAEL SCHIRNER, MICH GIBT ES GAR NICHT

Fachhochschule Potsdam, 2017

Michael Schirner, Mich gibt es gar nicht,  Fachhochschule Potsdam, 2017

A Half Century Survey

Mit 10 Studierenden des Kommunikationsdesign der Fachhochschule Potsdam entwickelte Michael Schirner Konzept und Design eines Buchs über seine Arbeiten aus 50 Jahren, Umfang 864 Seiten, 400 vollformatige doppel- und einzelseitige Abbildungen auf. Schwarz mit weißerSchrift. Mit dem Titel des Buchs zitierten die Studierenden Schirners Lecture Performance Schirners: Mich gibt es gar nicht. Zitat: „Meine Kunst ist nicht mein Werk, sondern ganz allein Deins. Du bist der Schöpfer der Bilder in Deinem Kopf. Mich gibt es gar nicht“. Schirners Vorschalg, an Stelle des Mich gibt es gar nicht den durchgestrichenen Namenszug aufs Cover oder den Namen desAutors wegzulassen, zu setzen, fand keine Zustimmung. Vorwort von Hans Ulrich Reck: „A Half Century Survey. Die Erbschaft an und Weiterentwicklung der zeitgenössischen konzeptuellen Künste in den Bereichen angewandter Künste und säkularer Bildstrategien lebt von der Einsicht, dass Bildwirkungen immer lebensweltliche Kraft haben. Ja, dass sie nur ‚reden‘, wenn sie mit dem allgemeinen Bewusstsein, der Mentalität einer Zeit und Epoche auf das engste verbunden sind. Es gibt bezüglich der Welthaltigkeit der Bilder keine substanziell sinnvolle Unterscheidung zwischen Kunst und Werbung. Der Verweis auf die angeblich schnöde, niedrige und triviale kommerzielle Dimension von Werbung blamiert sich längst an den Verhältnissen, seitdem Spitzenwerte der sogenannten ‚freien Kunst‘ zur Hauptwährung von Geldwäscherei und allerlei weiterer Kriminalität geworden ist. Ganz im Sinne der Auffassung: Wenn Kunst zur Ware wird, ist Werbung Kunst. Die Behauptung, es gebe eine gehaltvolle, ja gar eine ontologische, also unverrückbare und prinzipielle Differenz zwischen freien und angewandten Künsten gehört ins Reich der Fabeln …“ Zum Semesterende stellten Michael Schirner und sein Team das Buch und eine  Installation vor: 160 Abbildungen aus Michael Schirner, Mich gibt es gar nicht als DIN A3 Fine Art Prints auf Stoß gehängt füllen die Ausstellungswand.

Michael Schirner, Mich gibt es gar nicht, Fachhochschule Potsdam, 2017

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BYE BYE MEDIA

BYE BYE FAZ, BYE BYE STREET ART, 2010

Michael Schirner, BYE BYE MOS20, 2002 – 2009, Fine Art Print, Kaschierung auf Alu-Dibond-Platte

EINE GESCHICHTE DER ENTFERNUNG

Zu Michael Schirners Fotografien im heutigen Feuilleton

„Die Methodik, durch Weglassungen die Wirkmacht von ikonischen Bildern zu erproben, hat sich der vor allem als Werber bekannt gewordene Michael Schirner für sein BYE BYE genanntes Projekt auf direktmöglichem Wege zu eigen gemacht. Er entfernt die wesentlichen Figuren aus ikonischen Pressebildern: den fallenden Kämpfer aus Robert Capas berühmten Bild des Spanischen Bürgerkriegs, James Dean aus der Szene am verregneten Times Square, einen Toten in Ohio aus dem Bild von 1970. Übrig bleibt auch hier ein ‚punktum‘: Wer ist die Frau, die da im Sommer 1970, den Pullover um die Hüfte geknotet, an der Kent State University über den Campus läuft; wo kam sie her, was geschah mit ihr, wo lebt sie heute – und warum wurde dieses Bild gemacht? … Ein fast unvermeidlicher Gag ist es, dass Schirner aus dem Bild, aus dem Stalin Trotzki entfernen ließ, Lenin entfernt – was auf eine mögliche Botschaft dieser Bildmanipulationen hinführt: Die Geschichte wäre anders verlaufen, wenn hier andere Menschen das Wort und die Macht ergriffen hätten, Geschichte ist kein Naturereignis, sondern das Produkt menschlicher Auftritte und Idealbilder. So könnte man Schirners Entfernungen vielleicht als Werbung und Ermunterung lesen, auch politisch mehr Druck zu machen.“  Niklas Maak

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. April 2010, Nr. 87 / 15 D3

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. April 2010, Nr. 87 / 15 D3

Die BYE BYE FAZ

FAZ-Ausgabe vom 15. April 2010

2009 wurden Michael Schirners Arbeiten der Serie BYE BYE von der Jury der Lead Awards ausgezeichnet und mit Gewinnerarbeiten in den Hamburger Deichtorhallen ausgestellt. Markus Peichl, Organisator der Lead Awards und Partner von Andreas Osarek, dem Leiter der Berliner Crone Galerie, schlug vor, die ausgezeichneten Arbeiten in der Galerie auszustellen. Schirner wollte mehr: eine Einzelausstellung in den Deichtorhallen, eine mehrseitige BYE BYE-Bildstrecke in der Frankfurter Allgemeine Zeitung, BYE BYE-Großflächenplakate und -Citylight-Poster in Hamburg, Berlin, Düsseldorf Frankfurt und ein BYE BYE-Katalogbuch, das die Medienkunstaktion dokumentiert.

Frank Schirrmacher, Chefredakteur und Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der radikale Ideen liebte, wollte alle Pressefotos einer aktuellen Ausgabe der FAZ durch Arbeiten der Serie BYE BYE ersetzen lassen. Am 15. April 2010, dem Eröffnungstag der Ausstellung Michael Schirner I BYE BYE in den Hamburger Deichtorhallen erschien die FAZ und 17 redaktionellen Beiträgen waren mit 17 Fotos der Serie BYE BYE bebildert. Das Titelbild auf Seite 1 zeigt die Arbeit BYE BYE, CER36, Fine Art Print, 2002 – 2009, based on a photograph by Robert Capa,Überschrift: „Kriegsbild?“, darunter „Bilderrätsel – Hier fehlt etwas – aber was? Die Auflösung finden Sie auf Seite 4. Es geht dabei um Leben und Tod, so wie auch in Afghanistan auf Seite 3, wo Soldaten in einem Konflikt im Einsatz sind, mit dessen Benennung sich die deutsche Politik so schwertut, dass der Außenminister und die Opposition lange Umschreibungen dafür benötigen. Was es mit dieser begrifflichen Verwirrung auf sich hat und weshalb manche ein kurzes Wort mit fünf Buchstaben nicht verwenden wollen, steht auf Seite 31. Noch mehr Rätsel finden sich im ganzen Feuilleton.“

Auf den folgenden Seiten der FAZ machte die Redaktion ein Experiment: Mit den Bildunterschriften der BYE BYE-Abbildungen stellte die Redaktion eine inhaltliche Verbindung zwischen dem redaktionellen Artikel und Michael Schirners Arbeit her.

Geschichtsbücher werden immer wieder umgeschrieben. Ein wenig wohler ist einem aber doch, wenn sie noch gedruckt vorliegen.

Wenn man Windstärke, Temperatur und Niederschlagsmenge vorausberechnen kann, ist dann auch der Ausgang der Geschichte bereits determiniert?

Helden gehen gern zu Fuß, auch wenn sie hoch hinaus wollen.

Die Polen greifen in höchste Register öffentlichen Gedenkens und erweisen damit ihrem verunglückten Präsidenten eine heikle letzte Ehre.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr: Auf dem Land herrscht jedenfalls ein anderes Verhältnis zur Transgression als in großen Städten.

Krieg, das heißt Gräuel. Man entkommt ihnen nicht, wenn man nicht von ihm spricht.

Manchmal wäre es besser, nicht durch Drehtüren zu eilen.

Der Traum aller Gäste des Pictoplasma-Festivals ist es, die Welt des Trickfilms um eine Figur zu bereichern, die später jeder kennt.

Hoch hinaus, denn Baukunst heißt heute überwiegend Montage.

Die ewige Frage: Was würdest du wählen, wenn du entscheiden könntest zwischen dem Leiden und dem Nichts.

Damit akademische Karrieren in Fahrt kommen, werden Anführungsstriche schon einmal auch weggelassen.

Ein Mann, der sein Rollenbild für die Wirklichkeit nahm.

Die ARD blickt auf ihre Geschichte zurück. Vier Nächte lang geht es um Wegmarken des politisch, informierenden wie des unterhaltenden Fernsehens. Einen neuen Slogan gönnen sich die Sender demnächst auch: „Wir sind eins. ARD.“

Vox, 20.15 Uhr, der Flug des Phoenix: Ein Flugzeug stürzt über der Wüste Gobi ab. Die Passagiere müssen um ihr Überleben kämpfen.

Wenn die Natur außer Kontrolle gerät, versagen die Bilder.

Michael Schirner, BYE BYE, Großflächenplakat in Frankfurt/M, 2010

BYE BYE Großflächenplakat in Frankfurt/M, 2010

bye bye STREET ART

BYE BYE Großflächenplakate und -City Light Poster

Als Teil der Medien-Kunst-Aktion erschienen Bilder der Serie BYE BYE als Street Art auf mehr als tausend Großflächenplakatstellen, Plakatsäulen und City Light Poster in Hamburg, Berlin, Düsseldorf und Frankfurt.

Michael Schirner, BYE BYE, Großflächenplakat in Düsseldorf, 2010

BYE BYE City Light Poster in Düsseldorf, 2010

Michael Schirner, BYE BYE, Großflächenplakat in Frankfurt/M, 2010

BYE BYE Großflächenplakat in Frankfurt/M, 2010

Michael Schirner, BYE BYE, Katalogbuch zur Ausstellung in den Deichtorhallen Hamburg, Hrsg. Markus Peichl, Distanz Verlag, Berlin 2010

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BILD OHNE BILDER

BILD-Zeitung vom 8. September, 2015

Titelseite von BILD am 8. September 2015

Titelseite von BILD, 8. September 2015

30 JAHRE Fotoausstellung ohne Fotos IN BILD OHNE BILDER

Zum 30jährige Jubiläum der Ausstellung Bilder im Kopf von Michael Schirner in Hamburg 1985 lässt Chefredakteur und Herausgeber Kai Diekmann die BILD-Zeitung vom 8. September 2015 ohne Bilder drucken.

Auf der Titelseite: „Warum BILD heute keine Bilder druckt!“ der Beitrag: „Heute halten Sie eine besondere BILD-Ausgabe in Ihren Händen. Eine Ausgabe, die uns besonders wichtig ist. Eine Ausgabe ganz ohne redaktionelle Fotos. Dort, wo sonst starke, aussagekräftige Bilder stehen, sind graue Flächen. In der Zeitung und in unseren digitalen Kanälen verzichten wir auf Bilder. Wir wollen damit zeigen, wie wichtig Fotos im Journalismus sind … Denken Sie an das Schwarz-Weiß-Foto eines vietnamesischen Mädchens. Es rennt schreiend auf den Fotografen zu. Im Hintergrund US-Soldaten und eine bedrohlich schwarze Wolke. Bis heute prägt dieses Foto unsere Abscheu vor Krieg mehr als jede Politiker-Rede, mehr als jedes geschriebene Wort. Auch das Foto des ertrunkenen Aylan (3) am Strand ging um die Welt. Es sorgte für Bestürzung und Mitgefühl, rüttelte Millionen Menschen wach. Darum steht BILD für die Veröffentlichung umstrittener Fotos ein …“

Auf Seite 8: Bilder im Kopf – 30. Jubiläum der Fotoausstellung ohne Fotos!“ der Beitrag: „Gibt es Bilder, die so stark und unvergesslich sind, dass sie auch ohne ein Foto in den Köpfen der Betrachter entstehen? Ja, sagt Prof. Michael Schirner (74), der Künstler und Kommunikationsdesigner hat vor 30 Jahren in den Hamburger Messehallen die Ausstellung Bilder im Kopf initiiert. Seine mutige Idee: eine Fotoausstellung ohne Fotos! Statt der Bilder sahen die Besucher 1985 nur schwarze Tafeln, auf denen in weißer Farbe die Beschreibung der Fotos stand. Schirners Idee: Das Gehirn des Menschen ist wie Hardware eines Computers, auf dessen Festplatte alle Bilder gespeichert sind. Diese Fotos werden dann durch die Vorstellung abgerufen. So steht zum Beispiel auf einer Tafel: „Albert Einstein streckt die Zunge raus.“ Ein anderes Bild: „DDR-Soldat flüchtet über Stacheldraht beim Bau der Berliner Mauer.“ Sofort entstehen die Bilder im Kopf.“

Am nächsten Tag erscheint BILD mit einer Beilage: „BILD ohne Bilder – Was Sie gestern verpasst haben!“ der Beitrag: „Heute zeigen wir Ihnen alle 12 Seiten mit Fotos, die Sie gestern nicht sehen konnten. Und wir dokumentieren die wichtige Debatte, die unsere Aktion bewirkt hat …“

BILD feiert 30 Jahre BILDER IM KOPF von Michal Schirner

Innenseite von BILD, 8. September 2015

Titelseite vom BILD, 9. September 2015

Innenseite vom BILD, 9. September 2015

Beiträge auf bild.de

http://www.bild.de/news/inland/darstellungsform-bilder/keine-bilder-in-bild-reichelt-warum-wir-uns-zwingen-muessen-hinzuschauen-42487776.bild.html

http://www.bild.de/news/inland/ausstellung/vor-30-jahren-in-hamburg-fotoausstellung-ohne-fotos-42487780.bild.html

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ARTISTS FOR SAFER SEX

HIV/AIDS-Präventionskampagne der Schirner Zang Foundation, 2016

Doppelseitige Anzeige der "Artists for Safer Sex" - Kampagne in Playboy

Artists for Safer Sex-HIV/AIDS-Präventionskampagne, Anzeige, 2016

24 Mal Erigierter Penis mit Hand und Kondom

Laut Robert Koch Institut „steigen die HIV-Infektionen, die Akzeptanz von Kondomen ist rückläufig; besonders Jugendlichen muss klargemacht werden, dass Kondome einen wirksamen Schutz vor Ansteckungen bieten.“ Der Vorstand der gemeinnützigen Schirner Zang Foundation startet eine massive HIV/AIDS-Präventionskampagne. Verantwortlicher Kreativdirektor ist Kexin Zang. Ziel der Kampagne: Möglich viele Menschen sollten Kondome benutzen, damit sich möglich wenige mit dem HIV-Virus infizieren.

Idee: die Artists for Safer Sex-HIV/AIDS-Präventionskamagne. Artists for Safer Sex sind 24 Fotokünstler: Joachim Baldauf, Tomaso Baldessarini, Düttmann, Philippe Gerlach, Jan Grosser, Kai-Uwe Gundlach, Esther Haase, Bernhard Handick, Ren Hang, Billy & Hells, Hadley Hudson, Sven Jacobsen, Ali Kepenek, Anatol Kotte, Matt Lambert, Tom Lemke, Hans Jürgen Kallmeyer,Oliver Mark, Ralph Mecke, Armin Morbach, Jurgen Ostarhild, Philipp Rathmer, Thomas Ternes, Dorothea Tuch. Jeder Fotokünstler gestaltet das Schlüsselbild der Prävention – erigierter Penis mit Hand und Kondom – in seinem ganz persönlichen Stil für die Safy Sex-Kampagne.

Artists for Safer Sex sind Digital-Designer wie Hi-ReS!, The Adventures Of, razorfish, PUK. Sie entwickeln Safy Sex Challenges, -Contests, -Shows, -Videos und das Deign der Kampagnen-Website.

Medienpartner der Safy Sex-Kampagne sind Frankfurter Rundschau, DIE ZEIT ze.tt, DER SPIEGEL, FOCUS, PLAYBOY, brand eins, SPEX, VICE Media etc. Sie stiften Anzeigenseiten, Online-Banner, Einbettung der Kampagnen-Website in Online-Ausgaben und kontinuierliche redaktionelle Beiträge.

Artists for Safer Sex-HIV/AIDS-Präventionskampagne, Anzeigen, 2016

Artists for safer Sex, Kampagne des Jahres

Mit ihrer HIV/AIDS-Kampagne schafft Schirner Zang eine spannende Verbindung zwischen gedruckter und digitaler Werbung und Kampagnen-Website. Die Methode: Nach dem Prinzip der Pictures in our Minds sind Anzeigen, Online-Werbebanner etc. ausschließlich mit Textaussagen gestaltet; sie beschreiben die Fototos der 24 Artists for Safe Sex und appellieren damit an Kopf, Imagination und Phantasie der Leser. Die Kampagnen-Webseite spricht Emotion, Bauch und Sinne der Besucher an: Sie zeigt Fotos von erigiertem Penis, Hand und Kondom, Videos von Fotogafen und Online-Aktionen etc. Der Effekt: Die Werbung macht neugierig und motiviert die Leser zum Besuch der Website, dem audiovisuellen Aktionszentrum der Kampagne.

Kampagne-Website

Artists for Safer Sex-HIV/AIDS-Präventionskampagne, Website, 201

Safy sex is Super sex

Vom 25. Juni bis Ende 2016 erscheinen 24 Anzeigen und Banner der HIV/AIDS-Kampagne jeweils samstags in gedruckten wie digitalen Medien. Auf den Werbemitteln wird die Veröffentlichung des wöchentlichen Safy Sex-Schlüsselbildes auf der Kampagnen-Website angekündigt, z.B. „Safy Nr.1: Erigierter Penis mit Hand und Kondom, fotografiert von Armin Morbach. Ab 25. Juni auf www.safy-sex.de“.

Das Versprechen der Kampagne: „Den besten Sex machen Sie mit Kondomen. Denn nur mit Kondomen können Sie die verrücktesten, abenteuerlichsten, wahnsinnigsten, gewagtesten, abgefahrensten, verruchtesten Sexualpraktiken ungehemmt und sorglos voll und ganz auskosten. Nur Safy Sex garantiert unendlichen Spaß.“ Slogan: Safy Sex is Super Sex.

Exhibition Shot, Lead Award, Deichtorhallen Hamburg, 2016

Artists for Safer Sex, Exhibition Shot, Lead Award, Deichtorhallen Hamburg, 2016

Exhibition Shot, Lead Award, Deichtorhallen Hamburg, 2016

Artists for Safer Sex, Exhibition Shot, Lead Award, Deichtorhallen Hamburg, 2016

Die HIV/AIDS-Präventionskampagne, die Artists for Safer Sex und ihre Arbeiten werden in den Räumen der Schirner Zang Foundation vorgestellt. Die Ausstellung wird von Vorträgen zum Thema begleitet. Referenten: Prof. Dr. Karin Mölling, Markus Peichl u.a.. Die Artist for Safer Sex- Kampagne der Schirner Zang Foundation wird bei den Lead Awards 2016 als Kampagne des Jahres ausgezeichnet und in den Hamburger Deichtorhallen ausgestellt. Die Zeitschrift Lürzers Archiv stellt die Kampagne vor und macht Safy Nr. 1 zum Titelbild.

Artists for Safer Sex, Titel Lürzer’s Archiv mit Ausschnitt eines Kampagnenfotos

Auftraggeber: Schirner Zang Foundation
Studio: Kexin Zang
Kreativdirektor: Kexin Zang
Texter: Michael Schirner
Artdirector: Kexin Zang
Fotografen: Joachim Baldauf, Uwe Düttmann, Philippe Gerlach, Jan Grosser, Kai-Uwe Gundlach, Esther Haase, Bernhard Handick, Ren Hang, Billy & Hells, Hadley Hudson, Sven Jacobsen, Hans-Jürgen Kallmeyer, Ali Kepenek, Anatol Kotte, Matt Lambert, Tom Lemke, Oliver Mark, Ralph Mecke, Armin Morbach, Jurgen Ostarhild, Philipp Rathmer, Thomas Ternes, Tomaso Baldessarini, Dorothea Tuch

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MICHAEL SCHIRNER, BLACK WHITE BOOKS

HAWK Hildesheim, 2019

Michael Schirner, Black White Books, HAWK Hildesheim, 2019

Das GGK-Prinzip

Barbara Kotte, Prodekanin der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim, wollte, dass Michael Schirner die schwarzen und weißen Präsentationsbücher, die er seit 1974 nach dem GGK-Prinzip  verfasst hatte, zum Gegenstand eines Editorial-Design-Projekts an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim macht. Michael Schirner stellte den Masters of Arts Manuela Bust, Leonie Egge, Farina Lichtenstein und Michael Breuninger die Aufgabe, Konzept, Redaktion und Design für das Editorial-Projekt zu entwickeln. Aus über tausend Präsentationsbuchern wählten die Studierenden 11 aus, tippen 11 Kampagnenkonzeptpräsentationen Wort für Wort, Seite für Seite, Buch für Buch ab, zeichnten zu jeder Konzeptpräsentation ein Gespräch mit Michael Schirner über die Geschichte der jeweiligen Kampagne auf, gestalteten aus Präsentationstexten, Gesprächen und Abbildungen der Kommunikationsmittel den 532-seitigen Übungsband Black White Books. Teil des Publikation ist ein Faksimile des Präsentationsbuchs für die Post mt dem Titel „Die längsten 8 Minuten, die es je gab“. Für die E-Book-Bibliothek von Black White Books digitalisierten die Studierenden 236 weiteren Präsentationsbücher mit einem Umfang von insgesamt 11.800 Seiten.

Black White Books

Michael Schirner, Black White Books, Workshop an der HAWK Hildesheim, 2019

Inhalt

Das GGK-Prinzip 008
Das 9. Gebot 032
Wie Sie kreative Meisterschaft erlangen 040
Konzeptbücher 1974 – 2001 042
Die längsten 8 Minuten, die es je gab. 046
Die Nahdienst-Kampagne der Post.
Rot und Schwarz. 194
Die Werbung für das Post-Image.

Black White Books, Michael Schirner und Diedrich Diederichsen in der KKG, Düsseldorf, 1984
Foto Andreas Gursky

Ich trinke Jägermeister. Ich nicht. 208
Das jüngste Gericht 226
Das war eigentlich die Geburt von neuer Plakatgestaltung. 228
Der Puffer sind wir. 229
Maßnahmen für den Kartoffelpuffer von Pfanni.
IBM 246
Die Kommunikation der Kommunikations-Firma. 247
Das Werbekonzept für IBM.
Vorurteile mit Vorurteilen bekämpfen 330
Geld für die goldenen Betten Afrikas. 331
Anzeigen für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Black White Books, Mitarbeiter der KKG, Düsseldorf, 1987
Foto Andreas Gursky

Black White Books, Mitarbeiter der KKG, Düsseldorf, 1987
Foto Andreas Gursky
Das Klicken der Auslöser wird ohrenbetäubend sein. 350
Die Fotoschule der Nation. 351
Oder eine recht persönliche Geschichte.
Per aspera ad astra. 374
Per aspera ad astra. 377
Werbung für den Stern.
Das Beste an Düsseldorf ist die Werbung für Düsseldorf. 388
Eine gute Adresse. 390
Die Image-Kampagne für die Stadt Düsseldorf

Black White Books, Michael Schirner und Diedrich Diederichsen in der KKG, Düsseldorf, 1984
Foto Andreas Gursky

Die Bewerbungskampagne von Berlin um die Olympischen Spiele. 408
Die freien Spiele im neuen Berlin. 410
Das Konzept für Olympia Berlin 2000.
Das Kommunikationskonzept 424
für Olympia/Berlin.
Eine gute Idee. 442

Black White Books, Markus Lüpertz und Penck in der KKG, Düsseldorf, 1984
Foto Andreas Gursky

https://www.mydrive.ch/shares/38731/600c5b56beab1129626e3ead4d6d8232/browse

Wühlt Grün! 444
Sie haben die Wahl. 445
Drei Kampagnen für Bündnis 90/Die Grünen.
Erigierter Penis mit Hand und Kondom 468
Man kommt nicht mehr ohne. 469
Die Pro-Präservativ/ Anti-Aids-Kampagne der KKG.
Artists for Safer Sex. 476
Die HIV/Aids-Präventions- und -Spendenkampagne
der Schirner Zang Foundation.

Black White Books, Eröffnung KKG, Düsseldorf, 1984
Foto Andreas Gursky

Gott 490
Kampagnen, Kinder, Körperteile. 494
Leben und Wirken 512
Werk Bildende Kunst 518
Werk Angewandte Kunst 522
Dank 528
Impressum 532

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MICHAEL SCHIRNER, BILLBOARDS

Schirner Zang Foundation, 2019

Michael Schirner, Billboards, Mich gibt es gar nicht, 2019, 247 Fine Art Prints

MICH GIBT ES GAR NICHT

Die Berliner Galeristin Esther Schipper beauftragte Michael Schirner mit dem Branding für den Bookstore der Galerie. Schirner gab seiner Konzeptpräsentation den Titel More is More und empfahl, vor die Koje vom Bookstore ein Billboard in den Maße 365 x 750 cm zu setzen. Sein Ausstellungskonzept: Immer, wenn eine Publikation eines Künstlers der Galerie erscheint, wird eine Ausstellung für den Künstler im Bookstore eröffnet.  Die Idee: Aus der Publikation des Künstlers wird ein Billboard im Store. Beispiel einer Ausstellung ist Blow Out, der unvollständige Roman von Christopher Roth, der zum großen Teil aus grünen Buchseiten ohne Text besteht. Die Textseiten und die grünen Seiten ergeben ein Wandbild. Für die Sales-Aktion von Drucken und Papierarbeiten von Künstlern der Galerie entwickelte Schirner das Prinzip einer Hängung, bei der von jeder ausgestellten Arbeit die gesamte Auflage vertikal gehängt wird und das Ganze das Bild einer Matrix ergibt. Als weiteres Beispiel zeigte Michael Schirner ein Billboard mit 247 DIN A3 auf Stoß gehängten Fine Art Prints seines Buchs Mich gibt es gar nicht. Albert Oehlen empfiehlt Michael Schirner, aus der Installation von Fine Art Prints seiner Arbeiten eine neue Serie von Werken zu machen, bei der  Anzahl und Anordnung der einzelnen Arbeiten sich nach den Proportionen des jeweiligen Ausstellungsraums richten. Für Oehlen ist die Serie ein Beispiel für Abstrakt Reality.

Michael Schirner, Billboards, Blow Out, Der unvollständige Roman von Christopher Roth, 2019, 130 Fine Art Prints

Michael Schirner, Billboards, Sales, 2019, 15 Editionen verschiedener Künstler

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WERBUNG IST KUNST

Ringvorlesung TU, HU, UdK Berlin, 2021

Ästhetik & Kommunikation – Nr. 1807181, Werbung ist Kunst, Ralf Nöcker

10 THESEN Von Michael Schirner

Werbung ist Kunst – Ein Fragebogen zu 10 Thesen von Michael Schirner macht die Runde betitelt Ralf Nöcker seinen Beitrag in Ästhetik und Kommunikation und schreibt: „In der Biographie des Werbers Schirner aus dem Jahr 1990 finden sich zehn Thesen zur Werbung und natürlich zum Verhältnis Werbung und Kunst. Diese Thesen haben wir auf ihre Aktualität hin überprüfen lassen, indem wir Top Werbepraktiker*innen von heute baten, sie aus der Perspektive der aktuellen Werbepraxis zu kommentieren. Auch den Urheber selbst haben wir mit seinen Thesen konfrontiert.“ Benjamin Minack, Michael Schirner, Larissa Pohl, Imran Ayata, Britta Poetzsch, Tobias Spörer, Mo Whiteman, Torben Hansen, Heinrich Paravicini und Stephan Vogel kommentieren  Schirners Thesen in der Zeitschrift und diskutieren das Thema in einer gemeinsamen Online-Ringvorlesung von TU, HU und UdK Berlin, die Ralf Nöcker moderiert.

Werbung ist Kunst, Ralf Nöcker, Seite 39

Werbung ist Kunst, Ralf Nöcker, Seite 46

 

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MICHAEL SCHIRNER, WERBUNG ALS KUNST

Galerie Hans Mayer, Düsseldorf, 1981

Ausstellung "Werbung als Kunst", Düsseldorf 1981

Michael Schirner, Werbung als Kunst, Galerie Hans Mayer, Düsseldorf 1981, Exhibition Shot

VOM DENKEN MIT DEM KNIE

Michael Schirner

1981 forderten der Galerist Hans Mayer und ich alle Werbeagenturen auf,  Arbeiten, die sie für Kunst hielten, an die Galerie von Hans Mayer in Düsseldorf zu schicken. Unter dem Titel Werbung als Kunst sollten die von einer Jury ausgewählten Arbeiten ausgestellt werden.

Ausstellung "Werbung als Kunst", Düsseldorf 1981

Michael Schirner, Werbung als Kunst, Galerie Hans Mayer, Düsseldorf 1981, Exhibition Shot

Die Juroren waren Marianne Schmidt, Herausgeberin von Hans Magnus Enzensbergers Kulturmagazin TransAtlantik, Hellmuth Karasek vom Spiegel,  Thomas Schöder vom FAZ-Magazin, Haug von Kuenheim von  der Zeit, Wolfgang Behnken vom Stern, Christian Herchenröder vom Handelsblatt, Michael Krüger vom Hanser Verlag und der Galerist Hans Mayer.

Ausstellung "Werbung als Kunst", Düsseldorf 1981

Michael Schirner, Werbung als Kunst, Galerie Hans Mayer, Düsseldorf 1981, Exhibition Shot

Aus 400 eingeschickten Arbeiten wählte die Jury 22 Arbeiten aus. Hans Mayer hängte die Rauschenbergs, Stellas und LeWitts ab und Werbeplakate und Anzeigen in der Galerie auf: Schnapskunst, Limokunst, Schokokunst, Knipskunst, Tippkunst, Hosenkunst etc.

Ausstellung "Werbung als Kunst", Düsseldorf 1981

Michael Schirner, Werbung als Kunst, Galerie Hans Mayer, Düsseldorf 1981, Exhibition Shot

Joseph Beuys kam zur Ausstellungseröffnung. Später auch Andy Warhol.

Ausstellung "Werbung als Kunst", Düsseldorf 1981

Michael Schirner, Werbung als Kunst, Galerie Hans Mayer, Düsseldorf 1981, Exhibition Shot

Beuys signierte das GGK-Plakat mit dem Wort schreIBMaschinen und auf die Anzeige für Hubert Burdas Bunte schrieb er: „Hubert muss kommen“. Michael Schirner rief Burda an, und am nächsten Tag trafen sie sich in der Ausstellung: Beuys, Burda, Mayer, Schirner und Warhol.

Ausstellung "Werbung als Kunst", Düsseldorf1981

Michael Schirner, Werbung als Kunst, Galerie Hans Mayer, Düsseldorf 1981, Exhibition

Warhol fand die die Anzeigen und Plakaten großartig: „Good business is the best art“. Beuys wiederholte seine alte Forderung: „Jeder Mensch ist ein Künstler.“ Mayer zweifelte: „Wenn jeder Mensch ein Künstler ist und alles Kunst, wo ist dann der Unterschied?“ Schirner beruhigte ihn: „Entweder ist er ein guter Künstler oder ein schlechter.“ Burda: „Künstler denken und arbeiten anders als andere.“ Darauf Beuys: „Ich denke sowieso mit dem Knie.“ Burda erklärte, ineares, logisches Denken entspräche nicht dem künstlerischen Denken. Künstler denken kreuz und quer, um die Eckeund und mit dem Knie. Worauf Schirner sagte: „Ich würde gern eine Schule aufmachen, wo Künstler das Denken von Nicht-Künstlern fördern.“ Er fragte Beuys, wie der den Namen finde: Akademie fürs Denken mit dem Knie.„Nicht schlecht“ meinte Beuys. „Toll“, sagte Hubert Burda und riet Schirner, dafür eine Stiftung ins Leben zu rufen. So wurde Die Akademie Fürs Denken mit dem Knie ein Projekt der Schirner Zang Foundation.

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SMILEY SMILE

vebacom/o.tel.o, 1994

Anzeige zur Einführung der Telekommunikationsfirma vebacom, 1994

Michael Schirner Werbe- und Projektagentur, vebacom, 1994, Zeitschriftenanzeige

Die Aufgabe: Corporate Design und Corporate Communication für die Einführung des von VEBA und RWE gegründeten ersten privaten Telekommunikations-Unternehmen entwickeln. Zuerst einen Namen für das Unternehmen finden.

Die Überlegung: Das Staatsunternehmen Deutsche Bundespost – später Deutsche Telekom ­– gilt als unpersönlich, unflexibel und unfreundlich. Deshalb wollen wir den privaten Anbieter zum freundlichsten Unternehmen im Markt machen.

Die Idee: Im Namenswettbewerb unter Mitarbeitern von VEBA und RWE gewinnt Patricia Huppermanns mit „Otello“. Caspar Frenzel designt das Logo: o.tel.o. Und macht freundliche, bunte Emoticons auf allen Werbemitteln zum neuen Gesicht der Telekommunikation.

Erfolg: o.tel.o ist heute noch eine geschätzte Marke von Vodafone.

READ IT SIDEWAYS

Michael Schirner

1994 wurde vebacom, die Telekommunikationsgesellschaft der Veba AG gegründet und 1996 – nach der Partnerschaft mit RWE – in o.tel.o umbenannt.

Im selben Jahr feierten wir den 10jährigen Geburtstag der Michael Schirner Werbe- und Projektagentur, die ich – im Gedenken an meine wunderbaren 10 Jahre bei der GGK Düsseldorf – „KKG“ nannte. Wir hatten unsere Räume gleich neben der Bank, für die wir auch arbeiteten, und die KKB hieß, was dazu führte, dass wir nicht nur die Post der GGK kriegten und die unsere, sondern auch die der KKB und die unsere und die der GGK, was sich erst änderte, als wir unsere KKG umbenannten in Michael Schirner Werbe- und Projektagentur. Als es GGK nicht mehr gab und auch KKB nicht mehr, hätten wir uns – im Gedenken an beide – wieder KKG nennen können, was wir aber nicht taten, weil wir dann wahrscheinlich gar keine Post mehr bekommen hätten. – So viel zu Umbenennungen. Zurück zum Geburtstag.

Ein Geschenk, das wir im Somme 1994 bekamen, war der Werbeetat von vebacom. Ich erinnere mich noch genau: Die Superstars unserer Factory, Claudia Hammerschmidt, Caspar Frenzel, Diedrich Diederichsen, Matthias Heiner, Anja Wilke, Sebastian Turner, Katja Stuke, Catharina von Poser und all die anderen saßen am großen schwarzen Lacktisch in der Halle, die wir mein Büro nannten, und stießen auf uns und unsere 10 Jahre an, als sich plötzlich die neugotischen Kassettentürflügel öffneten und ein Engel den Raum betrat und sagte (Hall): „Fürchtet Euch nicht, denn siehe, ich verkündige euch große Freude: Ihr habt heute einen Riesenwerbeetat gewonnen und alles  ganz ohne Wettbewerbspräsentation, einfach so als Geschenk der freundlichen Tochter der mächtigen Mutter Veba, für die Ihr die erste private Telefongesellschaft erfinden sollt.“ Damit nicht genug: „Macht einfach die beste Kommunikation für die neue Kommunikationsfirma, also genau die, die Ihr am besten findet. Niemand wird Euch hindern, die tollste und schönste L’art pour l’art-Kampagne der Welt zu machen: kein Werbeleiter, kein Marketingchef, kein Finanzchef, kein Marktforscher, keiner wird Euch reinreden.“ Ganz konnten wir unser Glück nicht fassen, ich fragte leise: „Warum gerade wir?“ Der Engel strahlte: „Das ist der Wille des Vorstands.“

Anzeige zur Einführung der Telekommunikationsfirma vebacom, 1994

Michael Schirner Werbe- und Projektagentur, vebacom, 1994, Zeitschriftenanzeige

Ulf Bohla war gerade Vorsitzender der Geschäftsführung von vebacom geworden. Bohla war IBMer. Und IBM war damals das, was heute Google, Apple, Facebook, und Microsoft  zusammen sind. IBM hatte ein einfaches Geschäftsprinzip: „Von allem das Beste“ d.h. die besten Mitarbeiter, die beste Bezahlung, die beste Stimmung, die besten Produkte, die beste Kommunikation, die beste Architektur, die beste Kunst etc. und damit machten sie die besten Geschäfte. (Ich hatte das Glück, dass wir 17 Jahre die Kommunikation der IBM Deutschland machen durften – eben so lang, bis eine internationale Kampagne aus den USA kam.) Nach dem IBM-Prinzip arbeitete Bohla auch bei vebacom. Deshalb wollte er wohl, dass avcommunication alle Messeauftritte und die Michael Schirner Werbe- und Projektagentur die gesamte Kommunikation für vebacom gestalten.

Anzeige zur Einführung der Telekommunikationsfirma vebacom, 1994

Michael Schirner Werbe- und Projektagentur, vebacom, 1994, Zeitschriftenanzeige

Und noch was: Bohla wollte, dass vebacom das freundlichste Unternehmen wird – eben die Alternative zur Telekom. Wir hatten also die wunderbare Aufgabe, die beste Kampagne für das freundlichste Unternehmen zu machen. Das fiel uns nicht schwer, denn die Mitarbeiter von vebacom waren die besten und freundlichsten. Weil die Firma gerade gegründet worden war, gab es nur wenige Leute da. Und weil es nur ein paar waren, kannte jeder jeden. Jeder war neu, keiner hatte Ahnung, wie man eine Telefongesellschaft macht, Produkte gab es noch keine, folglich auch kein Produktmanagement, kein Marketing, keine Marktforschung, keine Gremien … Der Engel hatte nicht zu viel versprochen: Niemand hinderte uns daran, die beste, schönste und wahrste L’art pour l’art-Kampagne zu machen und alles für ein Telekommunikationsunternehmen, das es noch nicht gab.

Grammatik des Lächels von vebacom/o.tel.o, 1994

Michael Schirner Werbe- und Projektagentur, o.tel.o, 1996, Plakate

Ulf Bohla – übrigens ein ausgezeichneter Musiker, der erfolgreiche Konzerte in Hamburg gab – wollte, dass wir genau das machten, was wir gern machen wollten: Werbung, die wahre Kunst unserer Zeit, kein Kunstgewerbe, sondern richtig gute Kunst. Er wusste: Das Einzige, was die gerade gegründete Firma machen konnte, war eine große Medienkampagne, waren State oft the Art Corporate Communications, Corporate Design, Advertising Art und hervorragende Messestandgestaltung. Da die Veba AG Ihrer Tochter etlichen Milliarden in die Hand gedrückt hatte, konnten alle aus dem Vollen schöpfen – ganz nach Andy Warhols Maxime: „Making money is art and working is art and good business is the best art“.

Plakat zur Einführung der Telekommunikationsfirma vebacom, 1994

Michael Schirner Werbe- und Projektagentur, vebacom, 1994, Plakat

Die Besprechungen, bei denen wir unsere Werke vorstellten, und Norbert W. Daldrop von avcommunication seine, waren ein Traum: Bohla gefiel die Rolle des großzügigen Mäzens der Kunst und genoss jede Präsentation. Lutz Grüttke, vorher Generalbevollmächtigter bei der IBM Deutschland und Initiator der besten Kampagne der Welt (IBM), war sein Berater und unser Schutzengel. Hartmut Albrecht, Pressesprecher, von der Mutter VEBA geschickt, um aufzupassen, dass die Tochter keinen Unsinn macht – drückte beide Augen zu und übte freundliche Zurückhaltung. In Patricia Huppermanns, die muntere quicklebendige Managerin voller Ideen (der Name o.tel.o stammt von ihr) verliebten sich alle.

Design des Logos für o.tel.o, 1996

Michael Schirner Werbe- und Projektagentur, o.tel.o, 1996, Logo

Es war ein Vergnügen, mit Norbert W. Daldrop zusammenzuarbeiten; er war Meister in allem, was wir Kommunikationsdesigner nicht so gut konnten: die dritte Dimension, die Bauten der Kunst für faszinierende Kommunikation im Raum. Mit unserer Werbe- und Projektagentur und seiner avcommunication hatte vebacom die Voraussetzungen geschaffen für eine Unternehmenskommunikation als Gesamtkunstwerk, das alle Medien einbezieht: Corporate Design, Printmedien, Anzeigen, Plakate, Publikationen, Werbemittel, Videos, TV-Spots etc. Dazu das Messearchitektur- und Eventdesign von avcommunication, das unserem Corporate Design eine dritte Dimension verschaffte.

Plakat zur Einführung der Telekommunikationsfirma vebacom, 1996

Michael Schirner Werbe- und Projektagentur, vebacom, 1994, Plakat

vebacom hatte begriffen, was ich vor Jahren predigte: dass ihre Werbung ihre Kunst sind, dass sie die Mäzene ihrer Werbekunst sind, dass diese Kunst ihre Größe, ihre Intelligenz, ihre Sensibilität ausdrückt, dass sie ihr Denkmal ist, ihr Petersdom, dass ihre Plakate, Anzeigen, Filme und Messestände die Skulpturen und Paläste dieses Jahrhunderts sind.

Ich er erinnere mich noch ziemlich gut an den Tag im Sommer 1994, als wir die Idee für die Kampagne der vebacom entwickelten, weil es so unglaublich heiß war und wir im Studio unter dem Dach, dem Hot Shop unseres neogotischen Agenturschlösschens in der Prinz-Georg-Straße in Düsseldorf saßen, wir, d.h. Caspar Frenzel, unser jüngster und schönster Artdirector, und Diedrich Diederichsen, der geniale Pop-Kunst-Netz-Kultur-Musik- Neo-Formalismus-Psychedelia-Papst der westlichen Hemisphäre und ich. Wir hatten uns vorgenommen, unseren Kampagnenideenrekord, der bei 8 Minuten lag, zu brechen, um möglichst schnell ins Löricker Freibad zu kommen.

Plakat zur Einführung der Telekommunikationsfirma vebacom, 1994

Michael Schirner Werbe- und Projektagentur, vebacom, 1994, Plakat

Da Telekommunikation und Informationstechnologie unsere Themen waren, nutzen wir unser internes Wissenschaftsnetzwerk und fragten unseren Freund Scott F. Fahlman an der Carnegie Mellon University, ob er eine Idee für die freundlichste Telefongesellschaft der Welt hätte. Postwendend kam seine freundliche Antwort:

I propose that the following character sequence for joke markers:

:-)

Read it sideways. Actually, it is probably more economical to mark things that are NOT jokes, given current trends. For this, use

:-(

Tageszeitungsanzeige zur Einführung der Telekommunikationsfirma o.tel.o, 1996

Michael Schirner Werbe- und Projektagentur, o.tel.o, 1996, 3-seitige Tageszeitungsanzeige

Ich: „Wie findest Du das, Diedrich?“

D.D.: „Nicht schlecht, mich stört nur, dass man den Kopf zur Seite drehen muss“, und drehte seinen Kopf zur Seite.

C.F.: „Da hab ich eine Idee“ und drehte Diedrichs Kopf von der Horizontalen in die Vertikale.

Ich: „Geniale Erfindung. Jetzt kann man das freundliche Gesicht sehen, ohne den Kopf zu verdrehen.“

D.D. grinste: „Sehr betrachterfreundlich“

Ich: „Das freundliche Gesicht der Telekommunikation“

D.D.: “Der freundlichsten Firma weltweit“

Mit Caspars freundlichen Gesichtern hatten wir für vebacom eine neue Sprache erfunden, eine, die total digital war („Total digital“ hieß das neue Buch von Nicholas Negroponte, das wir an vebacom-Freunde verschickten) und total emotional, eine Sprache ohne Buchstaben, ohne Schrift, ohne Laute (kein Wunder, denn Caspar war, wie die meisten Artdirektoren, Legastheniker). Und vor allem: very very l’art pour l’art.

Wir wollten, dass auf jedem Kommunikationsmittel der vebacom-Kampagne eins von Caspars freundlichen Gesichtern strahlte.

Ein Blick auf die Uhr: Wir hatten unseren Rekord gebrochen: Nach 7 Minuten war die Kampagnenidee da, das lachende 7-Minuten-Ei des Caspar Columbus Frenzel.

Tageszeitungsanzeige zur Einführung der Telekommunikationsfirma o.tel.o, 1996

Michael Schirner Werbe- und Projektagentur, o.tel.o, 1996, 3-seitige Tageszeitungsanzeige

Der Rest war Feinarbeit: Wir mussten eine Grammatik der Gefühle entwickeln, eine Schrift für die Gesichter auswählen, Zeichen für Augen, Nase, Mund generieren,  den Zeichen Farben geben, 45 Gesichtsausdrücken designen (siehe oben) lachende Anzeigen gestalten, strahlende Plakate, grinsende Publikationen, zwinkernde Banner, gesichterschneidene Filme etc.

Und dann kamen die Künstler von avcommunication: Sie beamten unsere super-flache Punkt-Komma-Strich-Gefühlswelt – die Welt als Scheibe, als Riesen-Button, als fliegende Untertasse – in die vierte Dimension eines anderen Raum-Zeit-Kontinuums und verwandelten sie in Landschaften des Lächelns und Paläste des listigen Augenzwinkerns der freundlichsten Telefonfirma. In ihnen bewegten sich Scharen staunender Massen von  Messebesuchern, sie tauchten aus tiefem Schwarz in rote, gelbe, grüne, blaue Zonen von Emotionen der ikonographischen Grinsearchitektur, begegneten dem Semikolon-Augenzwinkern auf Texttafeln und Videoscreens und zwinkerten zurück.

Tageszeitungsanzeige zur Einführung der Telekommunikationsfirma o.tel.o, 1996

Michael Schirner Werbe- und Projektagentur, o.tel.o, 1996, 3-seitige Tageszeitungsanzeige

Vielleich fragt jetzt irgendein vernuftverseuchter Marketer: Schön und gut, aber verkauft es?

Antwort: Klar, o.tel.o war 1999 mit über einer Million Pre-Selection-Kunden der erfolgreichste private Anbieter und ist heute noch eine geschätzte Marke von vodafone ;-)

CREDITS

Auftraggeber: Vebacom GmbH / o.tel.o
Agentur: Michael Schirner Werbe- und Projektagentur GmbH
Kreativdirektor: Michael Schirner
Texter: Diedrich Diederichsen
Artdirector: Catharina von Poser, Caspar Frenzel
Messearchitektur und Events: avcommunication
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