SCHULE DES SEHENS

Photo Porst, 1981

Zeitschriftenanzeige für Photo Porst, 1981

GGK Düsseldorf, Photo Porst, 1981, Zeitschriftenanzeige

EINE RECHT PERSÖNLICHE GESCHICHTE

Zitiert aus der Konzeptpräsentation von Michael Schirner für Photo Porst

Mir hat Porst das Fotografieren beigebracht. Das war vor fast 25 Jahren. Meine Bibel war ein Fotobüchlein von Porst. Darin stand wunderbar erklärt, wie man fotografiert. Ich konnte es auswendig. Alle Monate schrieb mir Herr Porst in einem Brief, er habe mit seinem Vater gewettet, daß ich eine Kamera bei ihm bestellen werde. Er bat mich inständig, ihn nicht zu enttäuschen. Ich bestellte. Ich sehe noch heute das Paket vor mir mit dem vielen Verpackungsmaterial und meiner ersten Kamera drin. Es war wie Weihnachten. Ich schickte meine ersten Filme zum größten Fotohaus der Welt. Und ich kriegte die größten Abzüge geschickt, die es damals in Deutschland gab. Und die billigsten und schönsten.

Das Tolle.
Porst war wohl der erste, wo man Abzüge mit glattem Rand kriegte. Später auch ganz ohne Rand, was noch toller war. Auch Kontaktstreifen gab es zuerst bei Porst. Das größte Vergnügen war, auf den langen Bestellzetteln die Wünsche für die Fotoarbeiten anzu- kreuzen. Für alle in meinem Alter, die damals wie besessen fotografierten, war Porst der größte. Er hatte für uns alle die Amateurfotografie erfunden. Und noch eins schien Porst erfunden zu haben.

Die Werbung.
Außer Fotografieren hatte Porst mir die Werbung beigebracht. Die Fotoheftchen und die Werbebriefe haben mich damals unglaublich beeindruckt. Später habe ich dann Fotografie und Film studiert. Und noch ein bißchen später etwas Werbung gemacht. Porst war für mich eine recht persönliche Geschichte.

Das Ende.
Wann diese Geschichte zu Ende war, das heißt, wann Porst keine Rolle mehr für mich spielte, weiß ich heute nicht mehr genau. Vielleicht war es vor 18 bis 20 Jahren. In all diesen Jahren hatte Porst Null Bedeutung für mich. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, daß Porst die letzten 20 Jahre für mich kaum existierte. In diesen Jahren hat Porst wohl auch seine faszinierende Stellungals Fotolehrer der Nation verloren.

1981.
Heute zumindest ist von all dem, was uns damals begeisterte, nichts mehr da. Aus unserem Lieblingslehrer von damals ist heute eine riesige Ladenkette geworden.

Zeitschriftenanzeige für Photo Porst, 1981

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Die Fortsetzung.
Die persönliche Geschichte von damals, die dann plötzlich zu Ende war, könnte jetzt wieder weitergehen. Mit einer hübschen Wendung: Damals hatte Porst mir beigebracht, was Kommunikation ist. Heute könnte ich mich revanchieren. Wir könnten gemeinsam versuchen, der Nation zu zeigen, was Porst ist. Ich könnte mir kein größeres Vergnügen vorstellen, als Porst wieder zu dem zu machen, was er damals für mich und all die anderen war.

Die Chancen.
Die Zeit für ein Comeback von Porst ist günstig. Wir stehen am Anfang einer kulturellen Epoche: dem Übergang von der Hochkultur zur Massenkultur. Die hochkulturellen Ausdrucksformen wie Theater, Konzert, Gemälde, Skulptur, Kunstfotografie usw. verlier-en mehr und mehr an Bedeutung. Stattdessen werden massenkulturelle Ausdrucksformen immer bedeutungsvoller: Popmusik, Mode, Design, Illustrierte, Comics, Fernsehen, Kino, Werbung und eben auch die Amateurfotografie.

Unterst zu Oberst.
War Kreativität früher ein Privileg weniger Künstler und der gebildeten Oberschicht, ist Kreativität heute ein Massensport. Die Kunst findet nicht mehr in Museen statt, sondern auf der Straße. Diese Kulturrevolution kehrt das Unterste zu Oberst. Ein ungeahnt-es kreatives Potential wird frei.

Zeitschriftenanzeige für Photo Porst, 1981

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Die Massenfotografie.
Die neue Massenfotografie hat mit der alten Kunstfotografie nichts zu tun. Die Kategorien haben sich völlig verkehrt. Ausdrucksformen, die von den Vertretern der Hochkultur als niedrig, vulgär und kitschig verachtet wurden, werden plötzlich bedeutungsvoll:

Die Bilder.
Familienfotos, Kinderfotos, Ferienfotos, Hochzeitsfotos, Betriebsfestfotos, Haustierfotos, Blumenfotos, Safarifotos usw., immer neue Kategorien entstehen. Es gibt nichts, was man nicht fotografieren kann. Es wird auch bald nichts mehr geben, was nicht schon fotografiert worden wäre. Es gibt vor allem keine schlechten Bilder mehr.
Jedes Bild ist ein gutes Bild.

Die Bildwelt.
Alle haben entdeckt, daß man mit Fotos sein Leben reproduzieren kann. Das Vergnügen am Foto wächst ständig. Da alles fotografierbar ist, verliert die Welt auch den Reiz des Einmaligen und ihren absoluten Wert. Wer zum ersten Mal in ein fernes Land reist, ist kaum noch überrascht davon. Man kennt es schon von Fotos. Das Foto wird oft als sehr viel interessanter erlebt als das Fotografierte.

Ein Beispiel aus dem Leben.
Eine Frau mit einem Kinderwagen wird von einer anderen angesprochen: „Was haben Sie für ein hübsches Kind.“ Die Mutter antwortet: „Das ist noch gar nichts, Sie sollten mal sein Foto sehen.“

Zeitschriftenanzeige für Photo Porst, 1981

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Die Bilder-Instanz.
Klar, daß in einer Zeit, wo Fotografieren zur Massenbewegung wird, die Instanz immer wichtiger wird, die den Leuten beibringt, wie sie mit der Bilderwelt und dem Bildermachen fertig werden können. Diese Instanz gibt es heute noch nicht.

Die Voraussetzungen.
Porst könnte gut diese Instanz werden. Porst hat die Größe, hat die Distribution, hat das, was man zum Fotografieren und Filmen braucht, hat die Leute und hat den Namen. Wir hatten auch eine Idee, wie Porst das schaffen könnte.

So.
Mit der Anzeigenkampagne für Photo Porst in Zeitschriften eröffnen ich und mein Artdirector Axel Hinnen die Fotoschule der Nation. Auf Doppelseiten geben wir Kurse in „Sehen, 1.Teil“ bis „Sehen, 48. Teil“. Auf der einen Seite sieht man den Amateur, der fotografiert, auf der anderen das, was er fotografiert. Meine Texte sind Lektionen einer kleinen Schule des Sehens. Die Serie beginnt mit Axel Hinnen, der eine Skulptur fotografiert und dem Text: „Als der Künstler Aristide Maioll, der 1861 geboren wurde und 1944 dort starb, in seinem Atelier vier Schritte zurücktrat, um sich die gerade Vollendete anzuschauen, die er „Der Strom“ nannte, weil sie so wie hingegossen dalag, dachte er sicher nicht daran, dass Axel Hinnen am 2.3. 1980 vier Schritte zurücktritt, um mit seiner Porst compact reflex von Maiolls Strom ein Königsbild zu machen …“

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CREDITS

Auftraggeber: Photo Porst KG GmbH & Co
Agentur: GGK Düsseldorf
Kreativdirektor: Michael Schirner
Texter: Michael Schirner
Artdirector: Axel Hinnen
Fotograf: Chico Bialas
Grafiker: Günter Classen, Beate Lorber
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