Bröckchen, Bröckchen!
Oh Wunder, oh Wunder!
Michael Schirner
Die Revolution des Ja
Ich studierte von 1966 bis 1968 an der Hochschule für Künste bei Max Bense, Max Bill, Kilian Breier und Bazon Brock. Das war zu einer Zeit, als dort so verschiedene Temperamente aufeinandertrafen wie Bazon Brock und Paul Wunderlich, die sich auf der Treppe ungefähr so begegneten: Wunderlich mit leicht hochgezogenen Brauen: »Bröckchen, Bröckchen« und Brock: »Oh Wunder, oh Wunder«. Das war 1967. Die Politisierung begann: Mein Beitrag dazu war, dass ich als AStA-Vorsitzender das sogenannte »Hamburger Modell« durchsetzte. Das bedeutete, dass den Studenten und Mitarbeitern der Hochschule Mitbestimmungrecht erhielten. Und so fing es an:
Ich rief vor versammelten Studierenden und Lehrenden Die Revolution des Ja aus. Ich las laut aus Brocks kleiner lila Bibel vor: „Es wird immer deutlicher, dass Widerspruch erheben und Widerstand leisten, dass das Nein-Sagen gerade denjenigen nutzt, gegen deren Anspruch Widerspruch erhoben werden soll. Dutschke wird so ein Agent des Systems, weil er durch seinen Widerspruch dem System zur Formulierung und Durchsetzung seines Herrschaftsanspruchs verhilft. Veränderungen sind nur zu erwarten in der Bejahung des jeweiligen Herrschaftsanspruchs bis in seine radikalste Form: Der Herrschaftsanspruch hebt sich selbst auf.“
Die Revolution des Ja hat den Vorteil, dass Studenten nicht bei Wind und Wetter auf die Straßen gehen müssen, um mit selbstgemachten Plakaten, Transparenten und Megaphonen zu demonstrieren und sich mit Polizisten rumzuschlagen. Die Revolution des Ja wirkt lautlos und von der Öffentlichkeit unbemerkt, um hinter geschlossenen Senatstüren bei Gesprächen mit den Senatoren für Inneres und für Kultur bei einer Tasse Tee die Forderungen nach Mitbestimmung der Studierenden, Umstrukturierung der Hochschulen etc. zu besprechen und diese dann ohne Abstriche umgesetzt werden, was die Presse, besonders die von Springer, deren Hochhaus ein beliebtes Zel nächtlicher Enteignet-Springer- und Haut-dem-Springer-auf-die Finger-Demos ist, und deren Ford Transits durch Brandsätze an der Auslieferung der Bild-Zeitung gehindert werden, die Studenten vom Lerchenfeld in wohlwollenden Beiträgen als gutes Beispiel beschreibt und deren Erfolge mit dem Etikett „Hamburger Modell“ beklebt.
Jayne, oh Jayne
Am 28. Juni 1967 war Jayne Mansfield in Bilox, Mississippi, für einen Auftritt im Gus Stevens Supper Club. Nach Mitternacht verließen Mansfield, ihr Anwalt und Partner Sam Brody, Ronald B. Harrison, ein 19-jähriger Fahrer des Gus Stevens Supper Clubs, der fuhr, drei ihrer Kinder und ihre vier Chihuahuas Biloxi in Richtung New Orleans, wo Mansfield in der Midday Show der WDSU auftreten sollte. Am 29. Juni um etwa 2:25 Uhr morgens prallte ihr Auto auf dem US-Highway 90, 1,6 km westlich der Rigolets Bridge, bei einer Geschwindigkeit zwischen 97 und 129 km/h auf das Heck eines Sattelschleppers. Dieser hatte seine Geschwindigkeit von 80 auf 56 km/h verringert, weil ein Lastwagen mit einem Insektenvernichtungsmittel-Sprühgerät herankam und mit rotem Licht blinkte. Die drei Erwachsenen auf den Vordersitzen und zwei der Hunde starben sofort. Die auf den Rücksitzen schlafenden Kinder überlebten mit leichten Verletzungen. Wikipedia
Ein Polizeifoto zeigt im oberen Viertel den unteren Teil der Karosserie, aus der an drei dicht nebeneinanderliegenden Stellen Blut rinnt, eine Perücke, die unter dem Wagen hervorschaut, davor zwei Flaschen, auf der einen der Teil des Etiketts mit angeschnittenem Schriftzug „Jo… ,, darunter „Scotch W …“, die andere Flasche mit Rückenetikett und englischer Schreibschrift mit diagonal darüber gedrucktem TEN YEARS OLD, im Vordergrund mit angezogenen Beinen und blutendem Kopf ein tote Chihuahua mit zwei Zitzen.
Ich schrieb einen Nachruf:
Jayne, oh Jayne,
Ausdruck von Schmerz
Größer noch als beim Tod in Berlin,
beim Tod in Jerusalem,
beim Tod in Vietnam
ist unser Schmerz beim Tod in Hollywood,
wenn wir ein Stück von unserem persönlichsten Traum verlieren.
Aber größer als unser Schmerz und unsere Verzweiflung,
angesichts des Todes wird unsere Forderung,
den Tod nun endlich abzuschaffen.
Oder wollt Ihr ewig sterben?
Mein Kommilitone Götz Peter Reichelt verbreitete in der Hochschule die Nachricht, dass gestern der Kopf von ‚ bei einem Auffahrunfall abgetrennt wurde und hielt mit seiner Mamiya den Ausdruck von Schmerz auf den Gesichtern der Studenten fest. Kommilitone Reinhold Scheer zeichnete die Kontur eines im Sessel Sitzenden, über dem der Kopf von Jayne Mansfield schwebt.
Ich saß in der Stellung des von Reinhold gezeichneten Mannes mit über einen Bock geschlagenem Bein vor unserer Leidwand, dem Triptychon mit der Headline Jayne, oh Jayne, Ausdruck von Schmerz – den wir in der Eingangshalle der Hochschule aufgestellt hattet, über mir mein Nachruf Jayne, oh Jayne mit der Forderung, den Tod nun endlich abzuschaffen, in der Mitte aufgereiht die Köpfe, der ihr Leid ausdrückenden Studierenden, links Reinholds Zeichnung vom Sitzenden mit übergeschlagenem Bein und Jaynes Kopf.
Götz Peter machte von mir und dem Triptychon mit der Headline „Jayne, oh Jayne, Ausdruck von Schmerz“ das Foto für die Pressemitteilung, das die F.A.Z. mit dem Text veröffentlicht: „Studenten der Hochschule für bildende Künste in Hamburg haben den sich in vielen Schlagzeilen verbreiteten Schmerz um den Tod des Filmstars Jayne Mansfield zum Anlass genommen, eine Leidwand aufzustellen. Fotos zeigen Studentengesichter beim Empfang der Nachricht: eine aufsässige Schaustellung, in der der Jux die Trauer darüber ist, dass auch Traurigkeit noch nach der falschen Gunst verteilt wird, die das Leben bestimmt, nach der Gunst, in der der Lebling mehr erzählt als das Opfer. Sie haben ihr „Plakat“ mit dem Hinweis versehen: „größer noch als beim Tod in Berlin, beim Tod in Jerusalem, beim Tod in Vietnam ist unser Schmerz beim Tod in Hollywood, wenn wir ein Stück von unserem persönlichsten Traum verlieren. Aber größer als unser Schmerz und unsere Verzweiflung, angesichts des Todes, wird unsere Forderung, den Tod nun endlich abzuschaffen. ODER WOLLT IHR EWIG STERBEN?“ Die Abschaffung des Todes: Theodor W. Adorno hat diese Forderung vor fast vierzig Jahren bei einer Feier im Hochstift einmal den Ausgangspunkt für eine noch mögliche Metaphysik des Todes genannt. – unabhängig davon gehört die Forderung zu den programmatischen Lehrsätzen des Dozenten für neue Ästhetik in Hamburg: Bazon Brock. – In dem Plakat gegen den Tod steckt der Aufruf an die Wissenschaft, die Natur ganz zu überwinden.
A-Männer, B-Männer
1966 in Hamburg, wo ich an der Hochschule für bildende Kunst studierte, wohnte ich in St. Pauli auf der Reeperbahn in der Talstraße. Ich hatte dort ein Zimmer in der Wohnung eines spanischen Transvestiten. Der arbeitete in der Monika-Bar auf der Großen Freiheit, einer Parallelstraße der Talstraße. Die Monika-Bar ist ein winziger Schlauch gleich neben dem legendären Star-Club, wo mal die Beatles auftraten, war gefüllt mit 6-8 spanischen, Transvestiten und Inge hinter der Theke. Ich war regelmäßig da und half manchmal als Türsteher aus. Ich liebte die Reeperbahn, den Grünspan, eine der ersten Discos, das Inn Sahara ein Lesben-Lokal mit zwei der längsten Theken der Welt, wo ich mit Freunden rund um die Uhr war und Platten wie „No Milk today“ von Herman’s Hermits hörten.
Eines Nachts gab’s in der Bar einen Blackout und ich hatte eine Erleuchtung: Der Gott der Geschichte erschien mir und stellte mir die Aufgabe, zur vorhandenen Welt, der A-Welt, eine zweite und als solches erkennbare und funktionierende Parallelwelt, die B-Welt, zu etablieren und Professoren, speziell die mit den B-Namen – Kilian Breier, Max Bill, Max Bense, Bazon Brock – und alle Studentinnen und Studenten, zu verdoppeln, verdoppeln nicht etwa in Form von simplen Kopien, sondern indem ich von jeder und jedem strahlende, wunderbare „Ideal-Ichs“ erschaffen, lebensgroße Idealbilder, Musterexemplare einer neuen Gattung und Bewohner einer idealen Parallelwelt und diese – ganz gleich, ob männlich oder weiblich – „B-Männer“ (B steht für Ideal-Ich) und ihre Real-Ichs entsprechend „A-Männer“ zu nennen.
So kam es, dass ich mit Reinhold und Götz Peter an der Hochschule studierenden und lehrenden Real-Ichs klarmachte, dass sie A-Männer seien, und dass zu jedem A-Mann ein B-Mann gehöre und wir zu ihrem realen Ich das fotografische Idealbild, eben den B-Mann, zu erschaffen, das heißt jeden, der Lust hat, mitzumachen, was Aussehen, Mimik, Haltung, Auftreten und Ausstrahlung anbelangt, so darzustellen, dass er von sich und aller Welt geschätzt, bewundert und geliebt wird. Wir boten Interessierten an, das Leben als A- und B-Mann 7 Tage und Nächte gemeinsam einzuüben und dabei festzustellen, dass man als B-Männer reichlich Vorzüge hat, beispielsweise geduldiger ist und in der Lage, Idealstellung und -ausdruck unverändert durchzuhalten, frei von Hemmungen und Komplexen, nicht abhängig von wechselnden Stimmungen und Launen, auch nicht von denen der Natur, das heißt, resistent gegen Krankheiten, Altern und Tod, also quasi unsterblich ist und sich ohne Mühe und Qualitätsverlust beliebig klonen lassen kann, was praktisch ist, wenn man als B-Mann zu gleicher Zeit an verschiedenen Orten auftreten will. Wir schafften es, dass etliche dabei sein wollen, nur Bazon Brock lehnte seine Verdoppelung entschieden und mit der Begründung ab, sein reales Ich sei absolut identisch mit seinem idealen Ich, erklärte sich aber bereit, das Leben der A- und B-Männer in einem Film zu dokumentieren.
Götz Peter nahm die A-Männer im Studio der Fotoklasse auf. Ich arbeitete im Labor; in meinen Entwicklerwannen drängten sich lebensgroßen B-Männer-Bahnen und warteten darauf, fixiert, getrocknet, von Hajo auf Trägermaterial aufgezogen und mit der Motorsäge freigestellt zu werden, um darauf ihr ausschweifendes Leben als B-Männer zu führen. Ich teilte die Dunkelkammer mit Gerhard Richter; er machte Abzüge von 12 Farben, seinen abgemalten industriell gefertigten Farbmusterkarten und fragte, wie ich sie fände. Ich sagte, sie erinnerten mich an Farbübungen in meiner Grundlehre in Saarbrücken. Da hatten wir Rasterfelder mit Farben ausgefüllt, angefangen mit 4 Farben, dann 16, 64, 256 und so weiter. Sowas hatte er dann später auch gemacht, als er 1024 Farben realisierte und ich ihn in öfter Köln besuchte und wir über unsere Arbeiten redeten. Doch das ist eine andere Geschichte. Ich kam aus der Dunkelkammer und eine Gruppe von B-Männern blicken mich an: Birte Kosegarten, Mette Ohlsen, Thomas Wachweger, Reinhold Scheer, Paul Wunderlich, Anke Grundmann, Edmund Nehring, Hanne Darboven, Kilian Breier, Sigrid Rothe, Goetz Peter Reichelt, Dieter Asmus, Heike Duesberg, Dieter Lott, Lili Fischer, Anke Eske, Rebecca Horn, Hermann Prigann, Anna Oppermann, Holger Jung, Max Bense, Heide Stumpf, Holger Meins, Plett …
Bazon Brock dokumentierte unsere Aktion in einem Film fürs NDR-Fernsehen, Redaktion Kulturspiegel. Aus dem Skript:
Einstellung 1: Die Aula der Hochschule. Eine Reihe von A-Männer, vor ihnen ein männliches Aktmodell, das, den linken Fuß auf einem weißen Kissen, den Kopf zur Gruppe gedreht hat, unter dem Wandgemälde „Die ewige Welle“ von Willy von Beckerath aus den Jahren 1911 bis 1918.
Sprecher aus dem Off: „In dem Fresko an der Wand des Veranstaltungsraums hat ein Künstler verschiedene historische Ideal-Ichs zu einer Gruppe Handelnder zusammengestellt. Die A-Männer haben sich zum Einüben ins Übernehmen historischer Rollen so aufgestellt, dass jeder eins der gemalten Ideal-Ichs aus dem historischen Gemälde in Stellung und Gestik nachahmt.“
Einstellung 2: Die lebende Skulptur löst sich auf.
Sprecher aus dem Off: „Die A-Männer begleiten ihre B-Männer ins reale Leben und beginnen, der Verkörperung ihres idealen Selbst nachzueifern, um das zu werden, was sie immer schon sein wollten: selbstbestimmt, gleichberechtigt, emanzipiert, begehrt, sexuell befreit. Sie arbeiten am Abbau von Hemmungen und Komplexen sowie dem Überwinden von lästiger Eifersucht, sie machen Übungen auf dem Weg zur sexuellen Befreiung.“
Einstellung 3: Die Kamera folgt den A- und B-Männern in ihre Gemächer.
Einstellung 4: Bettszene mit zwei A-Männern Mette O. und Michael S. und dem B-Mann Holger S.
Sprecher aus dem Off: „Hier zeigt sich, dass man nicht nur am eigenen Ideal-Ich orientiert ist, sondern auch am Idealbild der anderen: Zwei A-Männer in einer ehelichen Bettszene, in der unter dem sich seitwärts abrollenden Gatten das Idealbild jenes Mannes erscheint, auf das die Frau sich in ihrer Vorstellung, durch ihren Mann hindurch, während der Liebesszene offensichtlich bezogen hat.“ (s. Abb. 40)
Einstellung 9: B-Mann Holger E.
Sprecher aus dem Off: Die Verschmelzung von Real- und Ideal-Ich zum Typus der Berufsrolle (hier Koch), die B-Mann-Figur erhält Attribute (Mütze, Wischtuch) eines normierten Idealselbst, wie es der Beruf verlangt.
Einstellung 24: Szene im Seminarraum.
Sprecher aus dem Off: „Die Teilnehmer erfinden und manifestieren Situationen, in denen man sich allgemein gern auf sein Ideal-Ich beruft, um anderen ein „gutes Bild“ von sich zu bieten und sie damit zu überzeugen. Einer präsentiert sein Ideal-Ich mit seinen B-Mann vor einem Rednerpult. Was der von sich zu geben im Begriff ist, flüstert ihm ein A-Mann ein. In diesem Falle wird einem Ideal-Ich die Rede von dem Dozenten eingeflüstert. Überzeugungsabsichten, die nur von einem Ideal-Ich vertreten werden, enthüllen sich als Versuche, die Sprecherposition als Gewaltverhältnis auszunutzen, vergegenständlicht durch das Gewehr über dem Katheder.“
Einstellung 24: Im Auktionssaal.
Sprecher aus dem Off: „Anke G. übernimmt die Rolle des Kunstauktionators mit der Versteigerung der Real- und Ideal-Ichs von Kunststudierenden und Lehrenden, stellt Los für Los deren Vorzüge und Wünsche heraus und erteilt dem Höchstbietenden als Zuschlag eine Nacht mit dem favorisierten B-Mann. Als letztes Los der Aktion versteigert Anke G. ihr eigenes Real- samt Ideal-Selbst.“
Einstellung 136: Schlussszene Massengrab.
Sprecher aus dem Off: „Nach Durchlaufen einer Vielzahl von Positionen der Aktion werfen die Teilnehmer ihre Ideal-Ichs (B-Männer) in ein Massengrab. Das Opfern des Ideal-Ichs ist Voraussetzung, ein neues Ideal-Ich aufzubauen, mit dem man bei erneutem Durchlaufen der alltäglichen Lebenssituationen besser zurechtkommt.“
Wochen später erklärt Brock, der Dokumentationsfilm für den Norddeutschen Rundfunk/Redaktion Kulturspiegel werde wegen „Sozialblasphemie –neben Massengrab in Vietnam“ vorerst nicht gesendet.
Zu Bazon Brocks Stück „Wegwerfbewegung“ einer Veranstaltung des Bundes Deutscher Architekten 1967, installierte ich mit Reinhold und Götz Peter im Kuppelsaal der Kongresshalle Hannover raumgreifenden Fotowände für unsere Aktionen.
Bazon Brock dazu: „Die Protagonistin in einer Menschenmenge, den Zuschauern einer Demonstration zur „Förderung aufgeklärten Konsumverhaltens“. In 15 Stationen werden von einzelnen Demonstranten kulturgeschichtlich prämierte Wegwerfbewegungen ‚trainiert‘ (Grundtypen: der Diskuswerfer von Myron und der KZ-Aufseher, der die Schuhe von Liquidierten auf einen Haufen wirft). Das Training erfolgt unter Anleitung eines als Besserwisser ausgewiesenen Professors. Er versucht, das Leben als Haufenbildungsprozess, die Welt als Warenlager darzustellen, dessen Bestimmung der Verbrauch ist. Veräußerlichung des Konsums als Wegwerfen, indem die zuvor geübten Wegwerfbewegungen auf das zeitgenössische Warenangebot übertragen werden. Die Waren sind auf der Spielfläche nach Art der Kaufhausregale aufgebaut. Die Zuschauer erwerben die Waren durch Kauf, um sie gleich darauf wegzuwerfen. Das Warenangebot wird durch die Wegwerfbewegung in Zivilisationsspuren verwandelt (Grundtyp: Ausgrabungen antiker Städte = Querschnitt unserer heutigen Kultur auf den Müllplätzen.“
Unsere Fotoaktionswände zeigen den „B-Mann des Monats“ Edmund N. in wechselnden Positionen und Situationen: Der „B-Mann-Schieber“ teilt die Formalperson Edmund N. in drei Riegel; durch Verschieben der Riegel werden Variationen seiner Identität demonstriert. Reinhold, Götz Peter und ich machten Edmund N., B-Mann des Monats, vor 700 Architekten im Kuppelsaal der Stadthalle in Brocks „Wegwerfbewegung“ zur Hauptrolle und zur lebenden Skulptur, von uns immer wieder in neuen Positionen und Kleidungsstücken fotografiert und kaschiert auf die 180-Grad-Außenalster-Fotopanoramawand mit ausgesägten Öffnungen für Köpfe, Arme, Oberkörper und Pos von Mitspielern, aufgebaut in der Arena vor der Hauptbühne, deren gesamte Breite eingenommen wird von unserem B-Mann-Schieber, einem Gestell aus Latten, Pressspanplatten und Pappe mit verschiebbarer Kopf-, Oberkörper- und Unterkörperzungen, der mit nicht ausgefahrenen Riegeln 12 m, mit einem ausgefahrenem Riegel 24 m und mit zwei Riegeln 36 m misst; ein Riegel zeigt 9 Köpfe des B-Mannes des Monats mit 9 Gesichtsausdrücken von freundlich bis streng, 9 Ober- und Unterkörpern, die zusammengeschoben Edmund N. in diversen Rollen zeigen: von dunklem-gestreiften-Anzug-und-Hemd-mit-hohem-Kragen-breiter-Krawatte-und-angehobenem-Kinn-rechte-Hand-zwischen-erstem-und-vierten-Knopf-in-die-Weste-geschoben-linke-Hand-auf-dem-Rücken-Ausdruck-bereit-den-Wunsch-des-Gegenübers-entgegenzunehmen über „weiße-sehr-enge-Shorts-bauchfrei-Bluse-über-dem-Nabel-geknotet-und-mit-beiden-Händen eine Kamera-haltend bis nackt-und-behaart-gerade-aus-der-Dusche-gestiegen.
Reinhold, Heidi S. und ich demonstrierten, wie Besucher die Riegel des Schiebers, um als Ergebnis der Operationen genau den idealen B-Mann bekommt, der ihren Wünschen entspricht, und mit dem sie den Abends verbringen, sei es im PKW, der in den Bühnenraum geschoben wird, am Tisch der Küche, im Wohnzimmer hinter dem Sofa oder unter der Dusche der Wohnung des Architektenpaares, die hier gerade von Möbelpackern aufgebaut und von Installateuren angeschlossen wird oder in den Bergen von Wohlstandswegwerfbewegungsmüll, den weißbekittelte A-Männer permanent in der Arena aufhäufen, um sich genüsslich darin wälzen.
Wir hatten In der Arena 24 Fotowände im Format 2,50 x 1,50 Meter aufgestellt. Jede Tafel zeigt das Foto einer Serie mit Edmund N. in Originalgröße, auf weißen Grund mit im Raster angeordneten Ziffern von 1 bis 9 und jeweils einer, nach dem Zufallsprinzip ermittelten 6-stelligen Zahlenreihe, der Edmund N. folgt und mit der rechten Hand, dem Kopf, der linke Hand, dem Po, dem rechten und dem linken Fuß, Ziffer für Ziffer berührt und in der Stellung für die Aufnahme verharrt. Die Tafeln zeigen 24 Stellungen, von denen Heide S. und Edmund N, einige vorführen, um das Publikum zu ermuntern, dazukommen und es selbst auszuprobieren.
Wir hatten in der Arena eine Art Riesenrad aufgebaut aus Pressspanplatten und Kiefernbalken – das demonstriert, wie sich prominente auf eine Scheibe aufgezogene weibliche B-Männer in die geöffneten Arme und Beine des unter ihnen liegenden B-Manns des Monats warfen: die Playboy-Playmate of the Month for February 1967, das Bond-Girl Ursula Andres im Bikini, das sich den Schweiß mit dem Unterarm von der Stirn wischt, in der Rechten ein kurzes Messer mit breiter Klinge, gefolgt von einem Alberto Vargas Girl, das sich einen rosa Schleier zwischen die angezogenen Schenkel zieht, Sylvie Vartan nackt, ein thailändischer Transvestit, gefolgt von Mel Ramos‘ Lola ohne Coca-Cola-Flasche. A-Mann Edmund N. lag davor mit geöffneten Armen und Beinen, in die sich Heide S. warf.
Kein Kostümzweang
Mein Projekt Werbung ist Kunst setzte ich nicht nur mit den Mitteln von Pop Art Konzeptkunst und der konkreten Poesie um, sondern auch mit von Aktionskunst, Happening, Performance abgeleiteten Formen, die im Grunde das sind, womit ich Ende der 60er angefangen hatte, als ich Kunst studierte. Damit möchte ich beginnen. Dass ich Kunst studieren würde, war eigentlich immer schon klar. Eine Alternative gab es nie. Kunst war das Einzige, was ich konnte. Ich habe aber nicht, wie meine Altersgenossen, an meiner künstlerischen Individuation gearbeitet, einen Stil oder eine Handschrift erarbeitet, mich quälerischen Selbsterforschungstechniken ausgesetzt. Dieses vielbelaberte Selbst interessierte mich überhaupt nicht.Zu meinen Aufgaben als AStA-Vorsitzendem gehörte auch die Organisation des traditionellen Künstlerfests der HFBK, das Li La Le hieß und für die Hamburger eins der wichtigsten gesellschaftlichen und kulturellen Ereignisse des Jahres war. Das Fest, das ich 1968 konzipierte und organisierte, sollte das letzte werden, das es in Hamburg gab.
Eine Idee für das Li La Le war, Werbung in die Dekoration einzubeziehen. Sämtliches Werbematerial, was wir kriegen konnten – Plakate, Verpackungen, Filme etc. – war Material für die Ausgestaltung der gesamten Hochschule. Bei dieser Idee kam natürlich einiges zusammen: Ideen Bazon Brocks von der Masse- und Konsumkultur, meine Ideen von Werbung als künstlerischem Kommunikationsfaktor sowie Teile von Pop-Art-Ideen, die damals im Schwange waren.
Wichtig für das Fest war mein Konzeptsatz, das Motto und Slogan der Veranstaltung, an dem mir klar wurde, wie medienwirksam eine Aussage sein kann. Mein Slogan lautete: Li La Le, Kostümfest – kein Kostümzwang, das heißt, Kostüme können an der Garderobe abgegeben werden. Das sollte heißen, die Besucher konnten nackt kommen, wenn sie wollten. Und so wurde es auch verstanden. Zum einen von der Presse, die sich darauf stürzte, zum anderen von Hamburgern, die tatsächlich nackt kamen.
Die Bild-Zeitung hatte uns bei der Werbung für das Fest in unschätzbarer Weise unterstützt, indem sie das potenziell Skandalöse an dem Konzeptsatz immer wieder hervorhob, zunächst neugierig und mit freundlicher Anteilnahme, später entrüstet. Die Zeitschrift Quick nahm das Fest zum Anlass, über den Verfall der Sitten in Deutschland zu lamentieren, was ihr den Vorwand lieferte, im Heft jede Menge Nackte abzubilden. Die Bild-Zeitung ging sogar so weit, Prostituierten in St. Pauli zu fragen, was sie denn davon halten, dass die Kunststudenten sowas machen. Und die empört: »Die dürfen in aller Öffentlichkeit, was wir nicht mal im Auto auf dem Rücksitz dürfen.« Es war wunderbar. Das Fest dauerte vier Tage und vier Nächte, währenddessen erschienen fortgesetzt Artikel in Zeitungen, die über den Stand der Dinge berichteten, Nackte hier, Nackte da, zu einer Zeit, in der eine Sexwelle noch nicht in Sicht war. Schließlich tat ihnen und uns dann ein 30-jähriger Kneipenbesitzer noch den Gefallen, wirklich entrüstet zu sein und nach der Justiz zu rufen Der Mann gab an, zwar kein Kind von Traurigkeit zu sein und das Fest besucht zu haben, um einen loszumachen, als er aber einige – seiner Meinung nach pornographische – Gemälde dort gesehen habe, sei er so schockiert gewesen, dass er nach der Polizei hätte rufen müssen. Dabei waren das harmlose Fellatio-Bilder, nichts gegen das, was schon Jahre zuvor zum Beispiel Wiener Aktionisten gemacht hatten.
Die Pressearbeit, Pressekonferenzen, Pressemitteilungen und täglichen Gespräche mit den Redakteuren und ihrer permanenten lokalen und überregionalen Bild- und Textbeiträge waren Teil des Fests der Werbung und der Kunst, ihre Schlagzeilen sind die Lyrik des Gesamtkunstwerks:
Li La Le diesmal ohne Kostümzwang – aber mit Schaumgummi an den Wänden / Acht tolle Nächte – Pudding an der Bar / Das Li La Le wird ein Monster-Vergnügen / Schwimmbad und Sprungturm / Die Polizei hat nichts dagegen / Studenten laden zum Nacktfasching / Massenstriptease beim Li La Le / 150 Betten, notfalls Reifen beim Li La Le / Die Polizei verbietet nichts / Die Nackten und die Torten / Ohne Orgien / Moral 1968: die Nackte Welt / Hat die Schamlosigkeit noch Grenzen / Li La Le kam prächtig in Fahrt / Li La Le, 1. Akt: Geräusche und Licht überall /Fünf tolle Nächte fordern letzte Kraftreserven / Li La Le beschäftigt alle fünf Sinne / Sitten-Razzia beim Li La Le / Gastwirt über Li La Le-Bilder empört / Einer der 6.000 Gäste nahm Anstoß und rief die Polizei / Gastwirt schickte Sittenpolizei zum Künstlerfest / Er fühlte sich durch Sex-Bilder beleidigt / Der Hamburger, der die Sittenpolizei holte: Nackte Menschen? Ja! Aber das Sex-Gemälde NEIN!!! / Gegen nackte Menschen hab ich nichts, aber das Gemälde ist eine Schweinerei! / Das sagt der Mann, der die Polizeiaktion gegen das Hamburger Künstlerfest auslöste / Konflikte aus dem „Konfliktraum“/ Sex-Gemälde kommen vor den Kadi / St.-Pauli-Mädchen protestieren: Die Künstler gehen zu weit! / Vorlage für die Gemälde: Beschlagnahmte Sex-Fotos / Li La Le -Bilder sichergestellt / Gemalter Sündenfall / Konflikt um Li La Le -Bilder. Richter entscheidet / Zensur für das nächste Li La Le? / AstA: Wir sehen einem Prozess ruhig entgegen / Doch Li La Le -Prozess / Dekorationen beim Faschingstreiben der Hamburger Kunsthochschule haben Anstoß erregt / Bier zur Schande im Konfliktraum / Li La Le „war gar nicht so“ / „Randerscheinungen aufgebauscht“, Festausschuss steht gerade, Buttlar nimmt Li La Le in Schutz.
Diesmal ohne Kostümzwang – aber mit Schaumgummi an den Wänden / Acht tolle Nächte – Pudding an der Bar / Das Li La Le wird ein Monster-Vergnügen / Acht tolle Nächte – Pudding an der Bar / Schwimmbad und Sprungturm / Die Polizei hat nichts dagegen / Studenten laden zum Nacktfasching / Massenstriptease beim Li La Le / 150 Betten, notfalls Reifen beim Li La Le / Die Polizei verbietet nichts / Die Nackten und die Torten / Ohne Orgien / Moral 1968: die Nackte Welt / Hat die Schamlosigkeit noch Grenzen / Li La Le kam prächtig in Fahrt / LiLaLe, 1. Akt: Geräusche und Licht überall /Fünf tolle Nächte fordern letzte Kraftreserven / Li La Le beschäftigt alle fünf Sinne / Sitten-Razzia beim Li La Le / Gastwirt über Li La Le -Bilder empört / Einer der 6.000 Gäste nahm Anstoß und rief die Polizei / Gastwirt schickte Sittenpolizei zum Künstlerfest / Er fühlte sich durch Sex-Bilder beleidigt / Der Hamburger, der die Sittenpolizei holte: Nackte Menschen? Ja! Aber das Sex-Gemälde NEIN!!! / Gegen nackte Menschen hab ich nichts, aber das Gemälde ist eine Schweinerei! / Das sagt der Mann, der die Polizeiaktion gegen das Hamburger Künstlerfest auslöste / Konflikte aus dem „Konfliktraum“/ Sex-Gemälde kommen vor den Kadi / St.-Pauli-Mädchen protestieren: Die Künstler gehen zu weit! / Vorlage für die Gemälde: Beschlagnahmte Sex-Fotos / Li La Le -Bilder sichergestellt / Gemalter Sündenfall / Konflikt um Li La Le -Bilder. Richter entscheidet / Zensur für das nächste Li La Le? / AStA: Wir sehen einem Prozess ruhig entgegen / Doch Li La Le -Prozess / Dekorationen beim Faschingstreiben der Hamburger Kunsthochschule haben Anstoß erregt / Bier zur Schande im Konfliktraum / Li La Le „war gar nicht so“ / „Randerscheinungen aufgebauscht“, Festausschuss steht gerade, Buttlar nimmt Li La Le in Schutz.
Gerhard Mauz hatte das Kostümfest ohne Kostüme im SPIEGEL Nr. 10 1968 zu einem Sittengemälde der Stadt Hamburg zusammengefasst.:
Bier zur Schande im Konfliktraum
Im Schutz der vernebelnden Behauptung, es werde nicht mehr als das alljährliche Künstlerfest Li La Le stattfinden, hatte sich der Aufmarsch der nabelfreien Horden vollzogen, ausgerechnet an der Elbe Auen, in einer Region, die bislang als ethische Kornkammer der Bundesrepublik gelten durfte, erstürmten die studentischen Wühler das Herzstück unserer Kultur. Eine Woge zuckenden Fleisches wälzt sich über die letzten Dämme vor Sitte und Anstand und ließ dem Tier im Menschen freien Lauf. An Warnungen, an dreisten Ankündigungen hatte es nicht ganz gefehlt: In einem gewaltigen Massenstriptease werde man die Mauer der letzten Tabus niederwalzen. Und die dritte Nacht des offensiven Festes gar war von vornherein zum „Fest der Liebe“ erklärt worden mit dem anreißenden Satz: „Kostüme können an der Garderobe abgegeben werden.“ … Nur wer sich Nacht für Nacht, der Hitze und dem Lärm trotzend, durch die Räume der Staatlichen Hochschule quetschte, hat immer wieder einmal, da und dort erfassen müssen, was vor sich ging. Welche Mühe kostete es doch, in einem verdunkelten Gang zum Anblick von Paaren zu kommen, die aneinandergeschmiegt auf bereitgestellten Liegen, auf einem sich die Wand entlangziehenden Liegewurm der Sünde nebeneinanderlagen. … Und wenn auch die Überfüllung der Veranstaltungen es schwermachte, den jeweiligen Tatort zu erreichen, so waren es doch niemals weniger als 40, 50 Menschen, die sich einfanden, wo möglicherweise ein schändlicher Anblick zu ertragen war. Welch eine Tortur, welch eine furchtbare Anstrengung: Ein Wall von Leibern stand jeweils zwischen dem entrüstungswilligen Beobachter und beispielsweise einem in weiblicher Begleitung darniederliegenden Tabumeuchler. Die Frage, ob da nicht etwa jemand alle fünfe von sich streckte, konnte unter diesen Umständen nie befriedigend beantwortet werden … Einzige Zuflucht für die zur Verteidigung entschlossenen war in dieser mit 20 beziehungsweise 25 Mark nicht billig erworbenen Not das von der Firma Kleier (man wird sich den Namen merken müssen) den Veranstaltern zur Verfügung gestellten Schwimmbassin. Wer an seinem Rand – in einem niedrigen, von Bad und Bar nahezu ausgefüllten Raum und in Wasserdampf – ausharrte, und Verantwortungsbewusste haben fünf Nächte lang für Sitte und Anstand die Stellung am Becken gehalten, der stand fünf Nächte hindurch in vorderster Linie. Wenigstens fünf Personen weiblichen und fünf männlichen Geschlechts sind ausgemacht worden, die völlig nackt ins Wasser gingen … Zu spät, sexuelle Ausschweifungen sind vorgefallen. Greuel, die der Beschreibung spotten. Kripodirektor Herbert Hoyer erklärte „Bild“: „Nach den sexuellen Ausschweifungen bei dem Künstlerfest werden wir es schwer haben, sexuelle Intimitäten in anderen Lokalen zu unterbinden.“ Eine nüchterne, zutreffende Beurteilung der Situation, denn wie soll der Finanzbeamte fortan der registrierten Dirne noch ins Auge blicken, wenn er mit ihr zur Einkommenssteuerveranlagung schreitet.“ Aber es ist zu spät, zu sicher wähnte man sich in Hamburg. Hätte man nur rechtzeitig nach Köln und Düsseldorf geblickt, nach München oder anderswohin im Land, dorthin, wo dergleichen nie möglich gewesen ist. In einer Orgie ohnegleichen, man nehme nur alle während fünf Nächten sorgfältig gesammelten Einzelheiten, brach zu Hamburg in einem Staatlichen (Staatlichen!) Institut das Tier im Menschen aus dem Käfig. Nun ist es also unter uns. Von nun an, erst von jetzt an wandeln wir in Nacht und Tränen.
Nach fünf Tagen und Nächten, in denen sich Skandale und Skandälchen gehäuft hatten und in denen ununterbrochen gefeiert wurde, war es vorbei und Hamburg wachte entsetzt auf. Die Stadtverwaltung verbot das Fest fürderhin, vorgeblich wegen baulicher Mängel des Schulgebäudes am Lerchenfeld, doch in Wirklichkeit aus Angst vor weiteren Skandalen. Das Li La Le wurde für alle Zukunft verboten. Offiziell allerdings nicht wegen sittlicher Verwahrlosung. Es hieß, Statik und Standfestigkeit des Gebäudes seien durch die Tanzenden gefährdet. Ich bekam einen Brief vom Präsidenten:
… hat als Vorsitzender des AStA der Hochschule für bildende Künste im Wintersemester 1967/67 gleichzeitig die organisatorische Leitung des Künstlerfests LiLaLerchenfeld innegehabt, das aus einem Vorfest und fünf Hauptfesten besteht. Die Organisation dieses Festes erfordert nicht nur Energie, Umsicht und Durchsetzungsvermögen, sondern in hohem Maße Takt, Umgangsformen und Fähigkeiten im Verhandeln und Behandeln von Menschen. Das Fest 1968 ist auf Grund der hervorragenden Leistung von ihm zu einem großen Erfolg geworden. Er hat sich dabei auch sicher einzigartige Erfahrungen erworben, hat aber bereits durch seinen Ausbildungsgang solche besessen, die ihn zur Lösung der ihm gestellten Aufgabe besonders geeignet machten.Es ist sicher zu erwarten, dass er von seiner Ausbildung und von dieser Leistung der Leitung des Künstlerfestes Li La Le 1968 her in seinem künftigen Beruf ausgezeichnet fundiert sein wird.
Gez.
Prof. Dr. Frhr. v. Buttlar
Ich überlegte, was mein künftiger Beruf sein könnte. Da meldete sich die Marketingabteilung des Gottes der Geschichte, ihre Botschaft: „Verzieh dich nicht in dein Atelier begib dich nicht auf quälerische Suche nach dir Selbst und einen prsönlichen Stil. Geh raus in die Welt der Werbung, mach Werbung, die keine Werbung ist, mach Kunst, die keine Kunst ist, mach das Unsichtbare sichtbar, mach das Sichtbare unsichtbar, übe dich in der Erschaffung – entschuldigung – in der Abschaffung deines Selbst als Autor, Künstler, Werber und so weiter. Werde der, der du bist: Guru, Beuys der Reklame, Werbepapst, Pope of Pop u.v.a.m.
Ich hatte mit Heike (Duesberg) im Labor der Fotoklasse hunderte von Fotos meiner Aktionen, Performances, Dokumente und Arbeiten an der Hochschule auf DIN A 2 vergrößert, kaschiert zu einem etliche Meter langen Leporello zusammengeklebt und in der Eingangshalle der Hochschule als meine Abschiedsarbeit ausgestellt. Das Leporello diente mir für meine zweite Bewerbung. Bei meiner ersten hatte ich mich mit Werbung an Kunstschulen beworben, jetzt bewarb ich mich mit Kunst bei Werbeagenturen. Bei Werbeagenturen bewarb ich mich, weil ich mit meiner Kunst über die Medien möglichst viele Menschen erreichen wollte.
Michael Schirner, Werbung ist Kunst mit einer Einführung von Hans Ulrich Reck und einem Titelbild von Albert Oehlen, Klinkhardt & Biermann, München 1988. Für den Beitrag wurden Passagen aus dem Buch überarbeitet und ergänzt.
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