NOTHINGTOSEENESS

Akademie der Künste, Berlin, 2021

Max Dax und Michael Schirner, Black Album / White Cube, Installation, Akademie der Künste, 2021

BLACK ALBUM/WHITE CUBE

Max Dax und Michael Schirner zeigen auf der Ausstellung Nothingtoseeness Leere/Weiß/Stille in der Akademie der Künste  ihre Installation Black Album / White Cube mit Black Album von Prince und Michael Schirners Pictures in our Minds, Judas! I don’t believe you. You are a liar! Siebdruck auf Leinwand, 2021. Außerdem die Installation We Buy White Albums von Rutherford Chang.

Künstler: Peter Ablinger, Absalon, Frank Badur, Mirosław Bałka, Rosa Barba, Gerhard Bohner, George Brecht, Trisha Brown, Klaus vom Bruch, Günter Brus, John Cage, Enrico Castellani, Rutherford Chang, Max Dax, Ulrike Draesner, Maria Eichhorn, Olafur Eliasson, Ulrich Erben, Ceal Floyer, Lucio Fontana, Sam Francis, Katharina Fritsch, Heinz Gappmayr, Jochen Gerz, Raimund Girke, Eugen Gomringer, Gotthard Graubner, Katharina Grosse, Hans Haacke, Marcia Hafif, David Hammons, Oskar Holweck, Stephan Huber, Alfonso Hüppi, Pierre Huyghe, Ray Johnson, Isaac Julien, Ellsworth Kelly, Per Kesselmar, Astrid Klein, Yves Klein, Harald Klingelhöller, Bernd Koberling, Christina Kubisch, Raimund Kummer, Mark Lammert, Henning Lohner, Inge Mahn, Piero Manzoni, Joseph Marioni, Sara Masüger, Reiner Maria Matysik, Bruce Nauman, Yoko Ono, Roman Opałka, David Ostrowski, Nam June Paik, Otto Piene, Thomas Rentmeister, Bridget Riley, Robert Ryman, Karin Sander, Hanns Schimansky, Michael Schirner, Gregor Schneider, Jan J. Schoonhoven, Nina Schuiki, George Segal, Qiu Shihua, Strawalde, Mark Tobey, James Turrell, Günther Uecker, Timm Ulrichs, Lothar Wolleh.

Michael Schirner, Pictures in our Minds, Judas! I don’t believe you. You are a liar! 2020, Siebdruck auf Leinwand, 120 x 120 cm

WE BUY WHITE ALBUMS

Max Dax

Das von Richard Hamilton als weiße Projektionsfläche gestaltete White Album der Beatles steht dem als Selbstermächtigung zu begreifendem, als schwarzes Quadrat gestaltete Black Album von Prince gegenüber. Während das White Album millionenfach verkauft wurde und von Hamilton als Kommentar zum Massenprodukt mit einer eingeprägten, fortlaufenden Nummer versehen worden war, die den Status des Unikats behauptete, verhält es sich bei Prince genau umgekehrt: Hier zog der Künstler seine Musik und den Tonträger wenige Tage vor dessen Auslieferungsdatum, dem 8. Dezember 1987, zurück. Hunderttausende Vinylalben wurden zerstört, nur etwa 100 Exemplare gelangten versehentlich als Rezensionsexemplare in Umlauf – sie sind tatsächlich Unikate im Vergleich zum White Album der Beatles. Beide Cover haben ihre ikonischen Vorbilder in der Malerei – das schwarze Quadrat von Malewitsch und die weißen Quadrate von Robert Ryman. 2007 begann der US-amerikanische Konzeptkünstler Rutherford Chang, alle Exemplare des White Albums zu kaufen, derer er auf Flohmärkten und in Second-Hand-Läden habhaft werden konnte. In immer größeren, an einen Schallplattenladen erinnernden Rauminstallationen stellt Chang seit 2012 seine bis heute auf 2.620 Exemplare angewachsene Sammlung von Kopien des White Albums aus. Aufgrund von Benutzungsspuren, aber auch Wasserschäden oder ‘Verzierungen’ sieht kein weißes Quadrat aus wie das andere. Sie sind alle individuell gealtert.

Rotherford Chan, We Buy White Albums, Exhibition Shot, Akademie der Künste, Berlin, 2021

100 Farben Weiß: Während die verschiedenen Weißabstufungen in Rutherford Changs Installation We Buy White Albums genau einhundert Mal wie in einem Plattenladen ausgestellt sind, wird das Black Album von Prince, das in der Sammlerwelt der Musik den Status des Heiligen Grals besitzt, von einer einbruchsicheren Vitrine geschützt. Mehr noch: Die Vitrine steht auf einem Sockel, um den herum ein mattschwarzer Kubus gebaut ist, der an den Pilgerort Mekka erinnert, während das Innere dieses Kubus weiß gestrichen, die ideale Präsentationsform für Kunst, die in Galerien zum Verkauf angeboten wird, der White Cube ist. In der Blickachse Eingang / Sicherheitsvitrine hängt schließlich die Arbeit Judas! I don’t believe you / You are a liar! von Michael Schirner an der Stirnwand des White Cubes. Es handelt sich um die erste Erweiterung von Schirners Serie Pictures in our Minds in die Dimension der Musik. Bis zu der von Max Dax kuratierten Ausstellung Black Album / White Cube im Jahr 2020 in der Kunsthal Rotterdam beschränkten sich die Motive aus Michael Schirners Pictures in our Minds auf Bilder, die sich tief in das kollektive Bewusstsein eingegraben haben: der Fußabdruck des ersten Menschen auf dem Mond, die brennenden Twin Towers, Willy Brandts Kniefall in Warschau etc. – in Form eines schwarzen Quadrates, auf das in weißer Helvetica-Schrift eben das Weltereignis knapp beschrieben wird. Das Bild entsteht im Kopf des Betrachters. Auf Einladung von Max Dax erweiterte Michael Schirner seine Serie in die Welt der Musik. Bob Dylans berühmte Antwort auf die 1966 aus dem Publikum in Manchester gerufene Beleidigung „Judas!“ konterte Dylan mit den Worten „I don’t believe you. You are a liar!“ Mit seiner wütenden Reaktion verteidigte Dylan die eigene künstlerische Selbstermächtigung, als Musiker nicht automatisch Entertainer sein zu wollen.

Kunst führt zu neuer Kunst. Dylans spontaner Wutausbruch ging in einer neuen Arbeit von Michael Schirner auf, ein gerettetes Originalexemplar des Black Album von Prince wird als Testament schwarzer Selbstermächtigung im Kontext des Schwarz-Weißen Kubus zum Denkmal, aber auch zum klugen Malewitsch-Kommentar, das White Album der Beatles im Kontext von Rutherford Changs We Buy White Albums Albums-Installation zur Meditation über die Einzigartigkeit von Massenprodukten und das Wesen von Projektionsflächen.

Rutherford Chang, Max Dax, Michael Schirner, Nothingtohearness, Artists‘ Book, Berlin 2021

SOMETHINGTOREADNESS

Das Buch enthält ein Gespräch von Lucia Margarita Bauer mit Max Dax über Black Album / White Cube, einen Beitrag von Michael Schirner über die Geschichte der Pictures in our Minds und ein Gespräch von Max Dax mit Rutherford Chan über We Buy White Albums. Da beide Arbeiten als Klang-Installationen ohne Klang Teil der Ausstellung Nothingtoseeness sind, ergab sich Nothingtohearness als Titel des Katalogs, der für den Erwerber, um das Spiel mit den Titeln auf die Spitze zu treiben, Somethingtoreadness ist.

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