MICHAEL SCHIRNER, PICTURES IN OUR MINDS

NRW-Forum Düsseldorf, 2007

Michael Schirner, Mao, Ze Dong swimming in Yang Zi Jiang, Siebdruck auf Leinwand, 1985 – 2013

Michael Schirner, Pictures in our Minds, Mao Tse-Tung swimming in Yang Tse-kiang, 2007

PICTURES IN THE MIND OF CHINESE PEOPLE

In der Ausstellung des NRW-Forum Düsseldorf 2007 wurden zusätzlich zu Pictures in our Minds und Pictures in our Ears  12 Pictures in the Mind of Chinese People veröffentlicht. Im Katalog erschien ein Beitrag von Michael Schirner mit dem Ergebnis einer Umfrage unter Chinesen; Kexin Zang und Michael Schirner hatten die Umfrage mit Studierenden der Central Academy of Fine Arts Beijing durchgeführt. Aus mehreren tausend Fotos und nach umfangreichen Recherchen, Gesprächen und Diskussionen wurden die 12 wichtigsten Bilder im Kopf der Chinesen ermittelt und im Katalog beschrieben. Die folgenden Bilder machen einen wesentlichen Teil des kollektiven Gedächtnisses  von über 1,3 Milliarden Chinesen aus:

Die Kaiserinwitwe Ci Xi in Gewändern eines Bodhisattva Alvalokites Vara

Das 1903 vom Prinzen Xun Ling gemachte Bild zeigt die Witwe des Kaisers Xian Feng sitzend, rechts und links von ihr zwei Frauen, im Hintergrund der gemalte Prospekt eines Bambushains, im Vordergrund Nachbildungen blühender Lotospflanzen. Zwei handbreit über dem Kopf der Kaiserinwitwe schwebt ein Schild mit ihrem Namenszug.

Es wird erzählt, Eunuchen hätten versucht, die Herrscherin von dem Fotoportrait abzuhalten und es sogar geschafft, dass Prinz Xun Ling eingesperrt wurde. Doch die Neugier von Ci Xi siegte, sie erlaubte dem Prinzen, das Bild zu machen, das nahezu jeder Chinese im Kopf hat, wenn er an Ci Xi denkt.

Peking-Oper-Star Mei Lang Fang und Chaplin schütteln sich die Hände

Das Bild von 1930 zeigt die zwei Weltstars der 20er und 30er in Chaplins Haus in Hollywood Hand in Hand in die Kamera lächelnd: Chaplin mit vollem schwarzen Haar und grauem Zweireiher, Mei Lang Fang im Chang Pao, dem knöchellangen Rock, mit Ma Gua, der kurzen Seidenjacke.

Als sein Manager die beiden vorstellen wollte, sagte Chaplin, er bewundere Mei Lang Fangs Schauspielkunst seit Jahren, worauf dieser erwiderte, er kenne Chaplin schon seit 10 Jahren mit Stock, Bärtchen und Melone aus seinen Filmen und sei völlig überrascht, ihn hier im grauen Anzug zu sehen. – Als beide sich 1936 in Shanghai wiedersahen, bemerkte der ergraute Chaplin: „Vor 10 Jahren hatten wir beide schwarze Haare, heute nur noch Sie“, worauf Mei Lang Fang sagte: „Wahrscheinlich weil ich nur Schauspieler bin, und Sie sehr viel mehr tun.“

Dr. Norman Bethune operiert einen Schwerverletzten im 2. Chinesisch-Japanischen Krieg

Das 1939 gemachte Bild zeigt Dr. Norman Bethune mit zwei chinesischen Sanitätern im Feldlazarett bei einer Operation über den geöffneten Körper eines Schwerverletzten gebeugt.

Der Kanadier Bethune, Pionier des Bluttransfusionsdienstes und des mobilen chirurgischen Feldlazaretts, der 1938 nach China kam, um Maos Soldaten im Chinesisch-Japanischen Krieg medizinische Hilfe zu leisten, dort oberster Truppenarzt wurde, tausende von Chinesen zu Ärzten ausbildete und abertausend Operationen an der Front durchführte, sich dabei infizierte und 1939 an einer Blutvergiftung starb, gilt noch heute in China als Held der Menschlichkeit.

Mao proklamiert die Gründung der Volksrepublik China

Das Bild vom 1. Oktober 1949 zeigt Mao hinter Mikrophonen am Tor des Himmlischen Friedens beim Verlesen der Erklärung zur Gründung der Volksrepublik.

Mit einem Druck auf den roten Knopf löst Mao das Hissen der Chinesischen Flagge und 28 mal 54 Salutschüsse aus. (Vor 28 Jahren wurde die Chinesische Kommunistische Partei gegründet, 54 Minderheiten gab es zu der Zeit in China.)

Mao, Ze Dong schwimmt im Yang Zi Jiang

Das Bild vom 1. Juni 1956 zeigt Mao, nahe Wu Chang beim Überqueren des Yang-Zi-Flusses.

Tausende folgten Mao ans andere Ufer, wo er sein Shui-Diao-Ge-Tou-Gedicht (Das Schwimmen) mit seinem Traum vom Drei-Schluchten-Damm vortrug. Die Überquerung des Yang-Zi-Flusses wiederholte Mao in den folgenden 10 Jahren 6 Mal.

Liu, Shao Qi ehrt Chuan Xiang für das Leeren der Toiletten Pekings

Das Bild vom 26. Oktober 1958 zeigt Präsident Liu, der dem zum nationalen Helden der Arbeit gewählten Shi die Hand schüttelt.

Bei der Ehrung soll der Präsident Shi gesagt haben: „Meine Aufgabe ist es, dem Volk zu dienen. Deine Aufgabe ist dieselbe. Der Unterschied liegt in der Arbeitsverteilung.“ – Während der Kulturrevolution wurde der Präsident verhaftet, ebenso der von ihm geehrte Held der Arbeit.

Der Soldat Lei, Feng

Das Bild zeigt Lei, Feng mit Pelzmütze und Kampfanzug, eine Maschinenpistole haltend.

Der am 15. August 1962 bei einem Unfall ums Leben gekommene 22jährige Soldat der Chinesischen Volksbefreiungsarmee wurde in den Wirren der Kulturrevolution (1966 – 1976) im Nachhinein von Mao als Held der Selbstlosigkeit und Hilfsbereitschaft ausgezeichnet.

Danach tauchten Fotos auf, die zeigen, wie er arbeitet, mit Kindern spielt, sein Geld verschenkt und Maos Werke studiert; seine Tagebücher wurden publiziert und machten seinen Opfermut bekannt: „Es sind die Menschen und die Regierung, die mir ein zweites Leben gegeben haben. Ich will mein endliches Leben für das unendliche Leben des Volkes geben.“  Seit jenen Tagen wurde „Lei, Feng“ in China zum Synonym für „den-Anderen-dienen“.

Der 5 Kilometer lange Abschied von Zhou, En Lai

Das Bild von 1976 zeigt den Platz des Himmlischen Friedens, im Vordergrund ein weißer, bekränzter Bus, dem eine Eskorte folgt, im Hintergrund ein langer Zug von Trauernden.

Zhou, En Lai, am 5. März 1898 geboren, war wichtiger Führer der Kommunistischen Partei Chinas und von 1949 an Premierminister der Volksrepublik, bis er am 8. Januar 1976 – einige Monate vor Mao – starb. Im April 1976 wurden Trauermärsche für Zhou von der „Vierer-bande“ (Maos Frau u.a.) gewaltsam aufgelöst.

Deng, Xiao Ping, einen Tag nach seinem Rückzug aus der Politik, zeitunglesend

Das Bild von 1990 zeigt Deng im Wohnzimmersessel zurückgelehnt mit hochgehaltener Zeitung und ausgestreckten Beinen. Neben ihm seine Frau, die dem Enkel auf ihrem Schoß ein Blatt Papier vorhält und ihm daraus vorliest.

Nach dem offiziellen Rückzug aus der Politik blieb Deng, unterstützt von seiner Familie, vor allem seinem Sohn Deng, Pu Pang, beratend für die Regierung und seinen Nachfolger Jiang, Ze Min tätig. – Im Mai 1990 reiste der ehemalige Bundeskanzler und Herausgeber der ZEIT Helmut Schmidt nach Peking und traf Deng, Xiao Ping.

Die Schülerin mit den großen Augen

Das Bild von 1991 zeigt eine 8jährige Schülerin, die einen Bleistift in der Hand hält und mit großen Augen in die Kamera blickt.

Der Fotojournalist Xie, Hai Long hat das Mädchen Su, Ming Juan an ihrem ersten Schultag in einem Dorf der An-Hui-Provinz fotografiert. Das Foto, in allen Zeitungen Chinas veröffentlicht, wurde zur Ikone für das „Hoffungsprojekt“, der Spendenaktion für die Ausbildung armer Kinder. – 1998 wurde Su Ersatzmitglied des Zentralkomitees der Partei und 2002 Mitglied des Komitees der Kommunistischen Jugend-Liga.

Der erste Taikonaut nach seiner Rückkehr aus dem All

Das Bild vom 16.10.2003 zeigt den 38jährigen Yang, Li Wei in weißem Raumanzug mit erhobener Hand grüßend, umgeben von einem Team in roten Overalls.

Den 21 Stunden dauernden Flug kommentierte der erste Taikonaut: „Aus dem Weltraum sieht die Erde wunderschön aus, doch die Chinesische Mauer habe ich nicht gesehen.“ – Da man in China das nationale Symbol des Landes für das einzige Bauwerk hält, das aus dem All zu sehen ist, sorgte sein Kommentar für Diskussion. Einige vermuten, Yang hätte wegen schlechten Wetters den Stolz der Chinesen übersehen.

Chinas Mongolei-Kuhjoghurt-Supergirl 2005 mit Panda

Das Bild vom 20. Januar 2006 zeigt das Supergirl Li, Yun Chun, das neben einem vergitterten Container mit Panda hockt.

Li, Yu Chun, 21, die von 400 Millionen TV-Zuschauern zum Supergirl 2005 (dem chinesischen „Deutschland sucht den Superstar“) gewählt wurde, ist eine Studentin, die wie ein Mann singt, sich manchmal wie Mick Jagger anzieht und für mongolischen Kuh-Joghurt wirbt. Anlässlich einer Werbeveranstaltung des Kaufhaus’ „Panda“ in Cheng Du adoptierte sie einen jungen Panda, der aus Wo Long eingeflogen, auf der Bühne mit ihr präsentiert wurde und vom Lärm des Publikums und den Blitzlichtern der Photographen verschreckt, in Ohnmacht fiel, was Tierschützer aufbrachte und die Regierung veranlasste, die Wahl des Supergirls in Zukunft zu untersagen.

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